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Zur Berliner Palästina-Konferenz

 

Und noch ein Text von mir aus der morgigen Ausgabe der ZEIT:

Schon das ist etwas Neues: Es findet eine Nahostkonferenz statt, und alle wollen die Idee dazu gehabt haben. Das Kanzleramt und das Auswärtige Amt konnten sich gerade noch zurückhalten, öffentlich über die Urheberschaft für die »Berliner Konferenz zur Unterstützung der palästinensischen zivilen Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit« zu streiten. Kanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier wollten beide zuerst auf die Idee gekommen sein, dem stockenden Friedensprozess durch eine große internationale Geberkonferenz aufzuhelfen. Nahostkonferenzen sind meist quälende Angelegenheiten, bei denen die Höhe der ausgestellten Schecks kaschiert, wie wenig die Spender noch daran glauben, dass sie einen palästinensischen Staat erleben werden. An diesem Dienstag in Berlin aber war es ganz anders.
Zwar gab es auch hier die unvermeidlichen Schlagwechsel: Der palästinensische Premier Fajad beschwerte sich über israelische Angriffe, die israelische Außenministerin Liwni konterte mit einer Klage über Raketenbeschuss aus Gaza. Der Russe Lawrow malte das Leid der Palästinenser aus, die Amerikanerin Rice hielt die Sicherheitsbedürfnisse der Israelis hoch. Aber etwas war neu. Und das hat mit dem Berliner Ansatz zu tun.
Man konnte deutsche Diplomaten erleben, die federnden Schritts über die Gänge des Auswärtigen Amtes auf- und abliefen und selbstbewusst eine neue Rolle im Nahostprozess reklamierten. Zwar sprachen sie natürlich korrekt von einer »neuen Rolle der Europäer«. Aber sie meinten schon ein wenig sich selbst dabei, auch wenn Niederländer und Briten mitorganisiert hatten. Es war kein Zufall, dass diese Konferenz in Berlin stattfand. In Europa genießen nur die Deutschen gleichermaßen das Vertrauen der Israelis und Palästinenser. Und jetzt wollen sie offenbar auch endlich mehr daraus machen. »Wir bewegen uns stärker in die Operative«, beschreibt es ein Beteiligter mit sichtlicher Freude. »Weg vom Deklaratorischen, hin zur Gestaltung von Realität.« Europäische Beteiligung sei nun auch bei Kernaufgaben erwünscht: beim Aufbau des Rechtsstaates in den palästinensischen Gebieten.
In Berlin wurden von 46 teilnehmenden Staaten 242 Millionen Dollar Aufbauhilfe zugesagt – 30 Millionen mehr als geplant. Damit das Geld nicht wie früher irgendwo versickert, soll es konkreten Maßnahmen zugeführt werden, die rasch für mehr Sicherheit auf den Straßen des Westjordanlandes sorgen: Wiederaufbau von Polizeistationen – 7 Millionen Dollar; neue Gefängnisse – 23 Millionen Dollar; zwei Kriminallabore – 8 Millionen Dollar; eine KFZ-Werkstatt für Polizeifahrzeuge – 2 Millionen Dollar; Aufbau der Verkehrspolizei – 17 Millionen Dollar.
Eine Verkehrspolizei als Schlüssel zum Nahostkonflikt? In der Tat: Es geht darum, Staatlichkeit möglichst schnell im Alltag spürbar zu machen. Mit dem integren Premierminister Fajad weht ein neuer Geist in Ramallah. »Sicherheit ist die wichtigste Dienstleistung, die ein Staat seinen Bürgern schuldet«, sagte er in Berlin. Unerhört: der Staat nicht mehr als Selbstbedienungsladen und Kampfverband, sondern als Dienstleister! In Palästina ist das freilich noch eine Utopie.
Ein Vorgeschmack von Eigenstaatlichkeit soll bei den Palästinensern die Hoffnung auf die Zweistaatenlösung wachhalten. Von israelischen Widerständen und Schikanen dagegen – Checkpoints, Siedlungsbau, Straßenblockaden – war in Berlin viel die Rede.
Aber war da nicht noch etwas? Gaza wird ja nun schon ein Jahr lang von Hamas zu einer Art Ha­mas­tan umgebaut, einer islamistischen Theokratie. Droht darum nicht längst die Dreistaatenlösung? Davon wollte man in Berlin nichts hören. Doch der ausgeschlossene Dritte bestimmte aus der Abwesenheit die Debatte mit. Wie soll man mit den Islamisten umgehen? Die Frage wurde ausgeklammert. Mancher hegt die Hoffnung, spürbare Staatlichkeit im Westjordanland werde Hamas verhandlungsbereit machen.
Wahrscheinlich ist das nicht, gegen den Berliner Ansatz spricht es aber auch nicht. Auf die Frage, was ein Scheitern der Friedensgespräche für die in Berlin angeschobenen Projekte bedeuten würde, sagte Frank-Walter Steinmeier: »Wir brauchen eine Struktur, um Rückschläge im Friedensprozess aufzufangen.« Gerade wenn die zarten Hoffnungen sich zerschlagen sollten, käme es auf Keimzellen eines funktionierenden palästinensischen Staates an.