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Warum Henryk Broder Persilscheine ausstellt

 

Ich lese die „Achse des Guten“ nicht mehr oft, obwohl sie hier weiter in der Linkleiste vertreten ist. Der Dogmatismus, das ewige Eiferertum (das der ironischen Selbstetikettierung widerspricht) und die teilweise hässlichen Töne, vor allem in der Integrationsdebatte, haben mir die Sache lange schon vergällt. (Sorry, Hannes, Du bist die rare Ausnahme).

So habe ich auch nicht rechtzeitig mitbekommen, dass Henryk Broder meinen Post über Martin Peretz nun schon zum zweiten Mal eines eigenen Posts gewürdigt hat. Auch das könnte man übergehen, wenn nicht eine merkwürdige Faktenverdreherei dabei zu beobachten wäre. Dass Broder nicht in bester Form ist, zeigt sich allerdings schon an dem müden Namenwitzchen auf meine Kosten („Lau und Lauer“ – you can do better than this…).  Geschenkt.

Ärgerlich ist etwas anderes. Martin Peretz hat sich dafür entschuldigt, dass er sich von der hassvollen Debatte über die „Ground-Zero-Moschee“ so weit hat anstecken lassen, dass er Muslimen verfassungsmässige Freiheiten absprach, weil diese ohnehin dazu neigen würden, diese zu mißbrauchen.

Peretz ist also, wie ich geschrieben habe, über sich selbst erschrocken und hat das öffentlich gemacht. Das nenne ich Mut. Und die Sache ist eben darum bemerkenswert, weil er in der New Republic einen ultraloyalen Kurs gegenüber Israel fährt. Falkenhafter als Peretz geht’s einfach nicht. Allerdings auch schon früher oft in einem verachtungsvollen Ton, wenn es um Muslime und Araber geht. Darum hat zum Beispiel Paul Berman lange nicht für die New Republic schreiben wollen. Er sagte mir 2003 in New York, er finde Peretz‘ Ton unerträglich. Der schreibe über Araber nämlich oft, „als seien das keine Menschen wie wir“.

Das ist in der amerikanischen Linken – auch und gerade unter den Israelfreunden – seit langem ein Thema, und in dem von Broder  zitierten (aber offenbar nicht ganz gelesenen) Wikipedia-Artikel sind denn auch mehrere Dokumentationen der ziemlich fiesen Peretz’schen Äußerungen verlinkt.

Mich in die Nähe von Stephen Walt zu rücken, weil ich Peretz‘ Erschrecken über sich selbst in der aktuellen Debatte bemerkenswert finde, ist dann schon, lieber Henryk Broder, ein ziemlich durchsichtiges Manöver: Ich soll damit in eine antiisraelische, ach was, antisemitische Ecke befördert werden. Das Stichwort der „Protokolle von Zion“ fehlt natürlich nicht. Und es wird unterstellt, ich wolle, dass „Juden sich bei Deutschen“ entschuldigen. Dazu sage ich mal nix. Zu blöd. Nachdem letztens Merkel gar mit der Reichsschriftumskammer in Verbindung gebracht wurde…

Warum nun überhaupt diese Würde eines doppelten Posts: Kann es sein, dass da ein ganz kleines Erschrecken unseres – früher jedenfalls – besten Polemikers und Satirikers über seinen eigenen Werdegang in den letzten Jahren als „Islamkritiker“ zugrundeliegt? Jedenfalls würde ich es verstehen, wenn Henryk Broder sich manchmal über die Fans aus der selbstgerechten (angemaßten) Mitte der Gesellschaft erschreckte, die ihn als Moslembasher bejubeln, der er eigentlich gar nicht ist. Er ist eigentlich zu klug um nicht zu fühlen, dass einige von denen sich die Moslems nicht zuletzt deshalb vornehmen, weil das nun mal heute die legitime Wut-Zielgruppe ist, an der sich der deutsche Bürger abarbeiten darf. Mit den Juden geht das aus verständlichen historischen Gründen nicht mehr so einfach hierzulande. Und natürlich: Was ist schöner, als wenn den Deutschen ein Jude erlaubt, auf die Moslems herabzuschauen. Bingo, das ist der totale Persilschein.

Seit Jahren gibt Henryk Broder, der früher einmal zu Recht berühmt dafür war, dem deutschen Mainstream seine Verlogenheiten vorzuhalten, nur noch dem Affen Zucker. Es ist sicher schön, zur Abwechslung endlich einmal mit der gefühlten Mehrheit gegen eine Minderheit zu stehen. Aber Broder müsste das irgendwann verdächtig werden – so wie Martin Peretz, der sich öffentlich vor der Enthemmung des amerikanischen Diskurses gruselt.

Deutsche, kapituliert nicht vor dem Islam – Broders Botschaft trifft heute auf einen Wunsch nach nationaler Enthemmung, den er früher gnadenlos kritisiert und entlarvt hätte – so wie die früheren Appelle, die Deutschen sollten nicht vor jenen kapitulieren, die sie immer noch unters Joch der Schuld zwängen wollen.

Es ist mir absolut unerfindlich, warum Henryk Broder heute dabei mitmacht.

Immerhin, so lese ich seine beiden Kommentare zu Martin Peretz: Etwas arbeitet in ihm. Anders gesagt: Etwas brodert in ihm.

(Das musste dann doch sein. Tit for tat.)