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Wiedersehen mit Ramin Jahanbegloo

 

Dieses Blog habe ich im Frühjahr 2006 zu schreiben begonnen, weil es mich trieb, etwas gegen die Verhaftung des iranischen Philosophen Ramin Jahanbegloo zu unternehmen.
Ich hatte Ramin wenige Monate zuvor in Kairo kennengelernt, bei einer Konferenz der italienischen Initiative „Reset – Dialogue on Civilizations“. Dort war ich beeindruckt davon, wie Ramin über Auschwitz als eine Verpflichtung für jeden Intellektuellen sprach. Er selbst hatte das Lager besucht und stellte sich in Kairo – wo wir über die Nachwehen der Karikaturenaffäre sprachen – gegen den staatlichen Antisemitismus seines Heimatlandes. Und das nach der Wahl von Achmadinedschad! Man muss sich klarmachen, wie mutig das war: alle wollten über antimuslimische Ressentiments sprechen, Ramin stellte das nicht in Frage, aber er machte deutlich, dass Antirassismus eine unteilbare Haltung sein muss.
Er erzählte mir, dass er von Kairo aus nach Teheran zurückgehen würde. Ich fragte ihn, ob er keine Angst vor Repressionen habe. Er antwortete kühl, davon könne er sich als Intellektueller nicht beeindrucken lassen. Wenig später wurde er verhaftet und verschwand für viele Monate im Evin-Gefängnis. Unsere internationale Kampagne für seine Freilassung hat die Haftzeit verkürzt, ist er heute überzeugt.
Ramin war aus Toronto nach Delhi gekommen. Er ist seit einiger Zeit wieder an der Universität von Toronto, wo er schon in früheren Zeiten gelehrt hatte. Er zählt zu der wachsenden Zahl von iranischen Intellektuellen, die das Land verlassen haben und vor einem Ende des sich radikalisierenden Regimes nicht mehr zurückkehren werden können. Die Hoffnung der Chatami-Jahre, ohnehin trügerisch, auf eine Reform von innen, ist spätestens mit dem Putsch des letzten Jahres begraben worden.
Ich war froh, mit Ramin in Freiheit zu essen und zu plaudern, wenn es auch schmerzte sehen zu müssen, dass das Korallenriff des iranischen Exils um eine weitere Schicht wächst.
Ramin sieht den Iran unter dem eisernen Griff der Revolutionären Garden und der klerikalen Mafia auf dem Weg in den religiösen Faschismus. Immer wieder fielen ihm Parallelen zu Nazideutschland ein. Als ich ihm sagte, dass eine Delegation deutscher Parlamentarier auf dem Weg in den Iran sei, um dort über „bilaterale kulturelle Angelegenheiten“ zu sprechen, verzog sich seine Miene. Er lehnt das vollkommen ab und sagt, dies schade der Opposition und werde mit Sicherheit vom Regime ausgenutzt werden. Das ist, als würde man 1936 nach Berlin fahren, um mit Goebbels über Kulturpolitik zu verhandeln.
Ramin ist überzeugt, dass die Sanktionen eine starke Wirkung haben, weil sie dem kleptokratischen Regime der Garden enormen wirtschaftlichen Schaden zufügen. Sie müssen durchgehalten und verschärft werden, um die Risse im Klerus – zwischen ultraradikalen Mullahs und traditionell quietistischen Gelehrten – zu vertiefen.
Die Teheran-Reise von Claudia Roth und Peter Gauweiler schadet diesen Zielen. Es gibt nichts zu verhandeln, solange Dissidenten weggesperrt und deutsche Journalisten unter Vorwänden verhaftet werden. Deutschland macht sich lächerlich mit solchen Initiativen und unterminiert die Grüne Bewegung. Das iranische Regime versteht nur die Sprache der Isolierung, es kann derzeit keinen konstruktiven Dialog geben.
Ramin ist in diesem Geist aktiv geworden, um den „Unesco World Philosophy Day“ zu verhindern, der absurder Weise in diesem Jahr in Teheran stattfinden sollte. Ramin und andere Freunde von „Reset“ haben es geschafft, dass alle namhaften Teilnehmer die Reise nach Teheran verweigert haben. Die Botschaft ist in Teheran angekommen: keine Legitimation des Putschistenregimes, das Wahlen fälscht und Dissidenten im Gefängnis verrotten läßt.