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Bücher für die Ferien

 

Zu erholsamen, guten Ferien gehört mindestens ein Buch, das Euch begeistert. Wir stellen Euch einige Bücher für die Sommerferien vor, die uns ganz besonders  gut gefallen haben.

AB 7 JAHREN

Nie mehr Maxi

Mal nicht das Übliche: Zwei Schwestern, die sich gut vertragen

Flos kleine Schwester ist ganz schön stur. Maxi heißt sie eigentlich, doch eines Morgens beschließt sie, von nun an den Namen Kiki zu tragen. Flo, ihre ältere Schwester, und die Eltern halten das zunächst für ein Spiel. Als Kiki aber alle Gegenstände, auf denen der falsche Name »Maxi« steht (ein Schlüsselanhänger, Socken und sogar ein Teddy mit Maxi-Shirt), in den Müll wirft, wird allen klar, dass sie von nun an mit einer Kiki zusammenleben. So beginnt Meine kleine Schwester Kiki und ich von Jenny Valentine (die im Mai den LUCHS für ihr Jugendbuch Kaputte Suppe bekam), und an die Geschichte um den neuen Namen schließen sich sieben weitere Episoden an.

Erzählt werden alle Ereignisse aus der Perspektive der älteren Schwester Flo, die manchmal amüsiert, manchmal verwundert, doch immer sehr liebevoll und geduldig auf die kleine Kiki schaut – und ihr alles gönnt. Zum Beispiel, dass sie die beste Ich-packe-meinen-Koffer-Spielerin in der Familie ist. Ein zweiter Band ist übrigens schon fertig und erscheint im November. Darin plagt sich Kiki mit der Frage herum, warum eine Hälfte von ihr schon so prima schwimmen kann, die andere Hälfte aber noch nicht.

Katrin Hörnlein

Jenny Valentine:
Meine kleine Schwester Kiki und ich
Deutsch von Anu Stohner
dtv 2010, 9,95 Euro

AB 10 JAHREN

Phobinasium

Kann man seine Angst verlernen? Auf »Summerstone« sicher nicht

Madeleine hat so große Angst vor Insekten, dass sie stets mit Hut und Schleier umherläuft. Lulu hält sich gern im Freien auf, denn sie fürchtet sich vor kleinen, dunklen Räumen. Theo ist das jüngste von sieben Geschwistern, und seitdem seine Großmutter starb, lebt der Zwölfjährige in der ständigen Furcht, er selbst oder ein anderes Familienmitglied schwebe in Lebensgefahr. Garrison schließlich fürchtet sich vor Wasser.

Mit ihren ausgeprägten Ängsten rauben die vier Kinder ihren Familien den letzten Nerv. Und so sind diese begeistert, als sie von einer geheimnisvollen Heilanstalt erfahren: »Phobinasium« heißt die Schule, in der man seine Ängste verlieren soll. Dort treffen Madeleine, Theo, Lulu und Garrison in den Sommerferien aufeinander. Geleitet wird die Bildungsanstalt von Ms. Wellington, einer ehemaligen, inzwischen aber uralten Schönheitskönigin. Statt den Kindern zu helfen, ihre Ängste in den Griff zu bekommen, ist Ms. Wellington bemüht, ihren »Teilnehmern« Unterricht in »Wie benimmt sich eine gute Schönheitskönigin« zu erteilen. Für Madeleine, Lulu, Theo und Garrsion steht bald fest: Die Frau ist verrückt und sie müssen weg hier, schnell!

Katrin Hörnlein

Gitty Daneshvari
Das Rätsel von Summerstone
Deutsch von Christa Broermann
cbj Verlag 2010; 14,95 €;

Karfunkel

Wie man die Geschichte »Junge rettet Edelstein« fünfmal erzählt

Mit Fortsetzungen ist es oft wie mit Teebeuteln – beim dritten Aufguss kommt nur noch fade Brühe heraus. Wieland Freunds Reihe Der schwarze Karfunkel ist anders. Die einzelnen Bände gewinnen durch ein raffiniert gesponnenes Beziehungsnetz zu den Vorgängern und Nachfolgern. Zwar erzählt Freund in allen fünf Bänden die gleiche Geschichte: Junge rettet Edelstein. Aber die Karfunkel- Bände sind ein Ritt quer durch die Buchgattungen: Nummer eins war eine Mantel-und-Degen-Geschichte. Gerade ist der Schauerroman Der Geist von Zweiseelen erschienen. Es folgen: Western, Detektivroman und Science-Fiction.

1793: Der zwölfjährige Waisenjunge Anders lebt auf dem Gut des Grafen von Zweiseelen. Der bringt einen Edelstein mit, kalt und schwärzer als die Nacht. Kurz darauf träumt Anders von Dämonen, die Magd Ilse sieht ein Gespenst, der Knecht Lorenz beschwört den Höllenfürsten Ariel und wird vor Schreck stumm. Wer darauf achtet, findet in Der Geist von Zweiseelen eine Menge literarischer Anspielungen. Was für ein Stein ist das, der die Leute so verrückt macht? Die Antwort wird erst im fünften Band enthüllt, der im 21. Jahrhundert spielt.

Silke Schnettler

Wieland Freund:
Der schwarze Karfunkel:
Der Geist von Zweiseelen
Beltz & Gelberg 2010; 12,95 Euro

AB 12 JAHREN

Friseur?!

Ein Beruf, der Eltern aufregt, wird so schlecht nicht sein

Der 14-jährige Louis, Sohn eines Starchirurgen, macht ein Praktikum im Friseursalon. Dort regiert die stark geschminkte, dicke Chefin, assistiert von dem schwulen Friseur und der faulen Auszubildenden. Die verpasst dem Praktikanten an der Garderobe den ersten Kuss.

Louis hat keine Ahnung, was er will. Aber was seinen Vater aufregt, kann so schlecht nicht sein. So stolpert der wortkarge Junge in den Salon Marilou in Orléans. Er fühlt er sich wohl in dieser kleinen Welt, in der unverblümt geredet, viel gelacht und manchmal geweint wird. Louis trifft dort auf Menschen, die Antwort auf seine Sehnsüchte sind – und er auf ihre. Madame Marilou ist im Gegensatz zu Louis’ schwacher Mutter ein energisches Muttertier, während er sie an ihren toten Sohn Etienne erinnert. Als Louis’ Vater mitbekommt, dass sein Sohn abends die Puppen seiner Schwester frisiert und die Schule schwänzt, um im Salon zu helfen, kocht er über: Er schlägt Louis krankenhausreif. Dennoch hat die Geschichte ein Happy End. Man könnte es Marie-Aude Murail vorwerfen. Doch dann würde man das tun, was Louis’ Vater macht: Von außen mit starren Ansprüchen kommen, statt von innen zu gucken, was passt.

Silke Schnettler

Marie-Aude Murail:
Über kurz oder lang
Deutsch von Tobias Scheffel;
Fischer Schatzinsel 2010; 12,95 €;

Auf Bücherschwingen

Problemgeschichten für Jungen gibt es fast zu viele. »Ich bin Bird« von Sofie Laguna verzichtet auf die üblichen Verdächtigen

Gibt es nicht genug Bücher, die sich mit den Problemen von Jungen zwischen zwölf und sechzehn Jahren beschäftigen? Betrachtet man die Neuerscheinungen der vergangenen Jahre, dann kann man diesen Eindruck gewinnen: Es scheint als wollten Autoren und Verleger den Sorgen, die sich viele Erwachsene um Jungen machen – sie lesen zu wenig, sie haben zu schlechte Schulnoten, sie wissen nicht, was man heute von Männern erwartet –, gleich mit einer ganzen Flut von Romanen begegnen. Und zwar mit solchen, die den Jungen noch einmal erzählen, wie schwer sie es haben. Ich bin Bird ist anders, obwohl diese stille Geschichte von Sofie Laguna auf den ersten Blick auch von einem Problemjungen handelt: von James, zwölf Jahre alt, der bei seinem Vater lebt, weil seine Mutter abgehauen ist. Alleinerziehend zu sein, sagt James über seinen Vater, ist ein Stressfaktor: »Ein hoher Stresspegel hindert einen daran, zu lächeln oder bei Liedern aus dem Radio mitzusingen oder einfach angeln zu gehen, ohne es im voraus zu planen.«

James ist ein Junge, der sich dauernd die negativen Urteile seines Umfelds anhören muss: Die Mutter seines einzigen Freundes findet, dass er einen schlechten Einfluss auf ihren Sohn hat. Die Mathematiklehrerin fragt fast automatisch: »James, du schon wieder?«, wenn im Unterricht Unruhe entsteht. Sein Vater, eigentlich ein ganz freundlicher Exmotorradrocker, sagt im Ärger gedankenlos: »Kein Wunder, dass sie in der Schule alle durchdrehen deinetwegen. Mich machst du auch wahnsinnig.« Wie geht man um mit so viel Ablehnung? Man flieht. James flieht in die Welt der Vögel, wird zu »Bird«, verwandelt sich in seiner Fantasie in Elster, Feldlerche, Sturmtaucher. Den Weg in den Himmel, weg vom Elend am Boden, hat ihm ein Vogelbestimmungsbuch geöffnet, ein dicker Wälzer mit vielen Zeichnungen. Als die Dinge schlimm werden, weil James’ einziger Freund ans andere Ende Australiens ziehen soll, versucht »Bird«, sich zum Autor des Buches durchzuschlagen. Er ist sicher, dass wenigstens dieser Mensch ihn verstehen müsste. Es kommt natürlich anders, und es zeigt sich, dass sowohl James’ Vater als auch seine Lehrer schließlich doch viel Liebe für den schwierigen, einsamen James aufbringen. Aber den Weg aus seinem Kummer hat ihm ein Buch gewiesen – kein Jungenproblembuch, sondern ein ganz ernsthaftes Erwachsenenbuch, das sich ohne Kompromisse mit einer Sache befasst. Darüber sollten Bücher kaufende Eltern, Autoren und Verleger mal nachdenken.

Susanne Gaschke

Sofie Laguna
Ich bin Bird
Deutsch von Ingo Herzke;
Carlsen 2009; 12,90 Euro

Diebe!

Auch wer im Slum aufwächst, darf Träume haben

Die Waisenkinder Baz und Demi leben im Slum einer südamerikanischen Großstadt. Die einzige Erwachsene, der sie vertrauen, ist Fay, eine Kleinkriminelle, die Baz, Demi und andere Kinder jeden Tag zum Klauen schickt. Wenn nicht gerade die Polizei mit ihren »Greifern« hinter ihnen her ist, gibt es da noch den Mafia-König des Slums, Senior Moro. Dem verkauft Fay Kinder, die nicht genug stehlen. Sie müssen für ihn auf dem berüchtigten »Berg« schuften, einer stinkenden Müllhalde. Aber Baz und Demi sind die geschicktesten Taschendiebe und bringen Höchstleistungen – gerade damit handeln sie sich allerdings Ärger ein. Eines Tages erbeuten sie einen Ring aus der Tasche einer feinen Dame. Wenn sie gewusst hätten, wen sie da bestehlen, hätten sie es wohl lieber gelassen…

Will Gatti erzählt spannend und beschönigt nichts. Kleiner Kritikpunkt: Befinden wir uns in Rio de Janeiro, Buenos Aires oder Mexiko-City? Das Buch hätte gewonnen, wenn Gatti den Ort seiner Erzählung konkret benannt hätte. So entsteht ein bisschen der Eindruck der Beliebigkeit: Egal wo, die Verhältnisse sind in allen südamerikanischen Großstädten »gleich schlimm«.

Özlem Topcu

Will Gatti
Diebe
Deutsch von Karsten Singelmann
Beltz&Gelberg 2010, 16,95 Euro

AB 14 JAHREN


Dunkle Macht

Kann ein Computerspiel denken? Es sieht leider fast so aus …

Was hat es mit den Päckchen auf sich, die in der Schule auftauchen? CDs sollen es sein, aber was ist darauf? Raubkopien von Musik? Verbotene Filme? Nick wüsste gern, was vorgeht. Doch bisher hat er noch keine CD ergattert. Und alle, die er fragt, lassen ihn mit fadenscheinigen Ausreden stehen. Die Eingeweihten aber verändern sich: Sein Freund Colin geht kaum noch ans Telefon. Die Klassenlooser trumpfen plötzlich auf, und immer mehr Schüler sitzen todmüde im Unterricht. Schuld ist ein Computerspiel, findet Nick heraus, als ein Mitschüler auch ihm – endlich! – eine der CDs anvertraut. Aber: Niemandem soll er von »Erebos« erzählen, und er darf es immer nur allein spielen, am eigenen Computer. Schon bald kann auch er dem Sog des Spiels nicht mehr standhalten. In einer Welt, die von Katzenfrauen, Vampiren, Trollen und anderen Fantasy-Wesen bevölkert ist, verschmelzen die Spieler mit ihren Charakteren. Nick hängt Nächte hindurch vor dem Computer, schwänzt die Schule: Denn Erebos bestimmt, wann gespielt wird. Und es mischt sich in die wirkliche Welt außerhalb des Computers ein. Das Spiel erteilt Aufgaben, scheint zu wissen, was die Mitspieler denken. Schleichend entfaltet es eine brutale Macht.

Katrin Hörnlein

Ursula Porznanski: Erebos
Loewe Verlag, 2010,
485 Seiten, 14,90 €; ab 14 Jahren