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Kurzgeschichte: Der verstopfte Rüssel

 

Herkules ist mein Name. Und ich erzähle euch aus meinem langen und vor allem aufregenden Leben als Zirkusartist. Ich war nämlich Zirkusfloh, besser gesagt Zirkusflöhin, denn bei den Flöhen sind die Weibchen immer größer und stärker als die
Männchen. »Hier kommt Herkules, der stärkste Floh der Welt, ach, was sage ich: des ganzen Weltalls!« So wurde ich immer angekündigt. Und ich war natürlich auch dementsprechend berühmt.

Kein Wunder also, dass eines Tages Hum Trööt bei mir vorbeisprang und mich um Hilfe bat. Hum Trööt war ein Elefantenfloh und lebte auf Kasimir, dem Zirkuselefanten. Er erzählte, dass Kasimir ganz verrückt sei nach Blumen und so stark an einer Rose geschnuppert habe, dass sie in den Rüssel gesaugt wurde, wo sie jetzt alles verstopfe. Seitdem könne Kasimir nicht mehr durch den Rüssel atmen und schnarche nachts, dass die Welt wackle. »Die einzige, die mir noch helfen kann,« rief Hum Trööt, »bist du Herkules, die stärkste Flohfrau der Welt.« Da hatte er Recht!

Als wir den Käfig erreichten, schlief der Elefantenbulle schon. Ein ungeheures Dröhnen und Rasseln erfüllte die Luft. Als ob ein riesiger Stein immer wieder eine Treppe hinunterpoltern würde. Kasimir schnarchte, was das Zeug hielt. Der Elefantenleib erhob sich vor uns wie ein riesiges graues Gebirge. Davor lag eine gewundene Röhre aus Fleisch. Kasimirs Rüssel. Da musste ich hinein. Hum Trööt wünschte mir Glück und mit einem Satz sprang ich mitten in den dunklen Tunnel. Es war stockfinster. Die Wände bestanden nur aus Falten und Runzeln. Lustig vorwärts zu hüpfen, war unmöglich. Also musste ich krabbeln.

Immer weiter hinein in die Finsternis. Ich war nur froh, dass man sich in einem Elefantenrüssel nicht verlaufen kann – es gibt ja keine Abzweigungen. Oder doch? Ich krabbelte und krabbelte. Plötzlich stieg mir ein betörender Duft in die Nase. Hmmmm – die Rose!

Wie ein zusammengeknülltes Tuch verstopften die Blütenblätter den gesamten Tunnelgang. Zum Glück ragte irgendwo auch noch ein Stück Stiel heraus und aus dem Stiel sogar eine kleine Dorne.

Ich wusste, was ich tun musste. Ich packte den Dorn und begann mit allen meinen Kräften zu ziehen. Nichts tat sich. Ich ächzte und zerrte wie verrückt. Mit einem Mal löste sich die Rose und ich konnte sie ein kleines Stück vorwärts ziehen.

Im selben Moment setzte das gewaltige Dröhnen aus und ich merkte wie Kasimir ruckartig immer tiefer einatmete. Guter Gott, ich hatte Kasimir im Rüssel gekitzelt und gleich würde er niesen. Da ertönte auch schon ein gewaltiger Donnerschlag. Ich klammerte mich mit aller Kraft an den Dorn.

Wie eine Kanonenkugel schoss die Rose durch den Rüssel und flog hinauf in den Nachthimmel. Die Rosenblätter entfalteten sich und so hing ich an meinem Rosenfallschirm und trudelte ganz gemächlich zu Boden.
Dort stand Hum Trööt und fing mich auf.

»Du hast es geschafft«, jubelte er. Ich war viel zu müde, um noch nach Hause zu hüpfen. Also verbrachten wir die Nacht
gemeinsam in Kasimirs Bauchnabel. Und der einzige, der schnarchte, war Hum Trööt.

Autor Kilian Leypold wurde 1968 im Schatten einer großen Burg, der Kaiserburg, in Nürnberg geboren. Trotzdem wurde er kein Ritter (da findet man nämlich so schwer Arbeit), sondern Schriftsteller. Sein erster Roman für Kinder heißt »Der Tiger unter der Stadt« und ist gerade erschienen.

Illustratorin Daniela Bunge wurde im Bayerischen Wald geboren, wo ihr erstes Bilderbuch »Gedichte für Mäuse« entstand. Auch fast 30 Jahre später hält die Begeisterung für Pinsel, Malstifte und besonders kleine Tiere an. Heute lebt sie in Berlin und illustriert zahlreiche Bücher für Kinder und Erwachsene.

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Wir wünschen Euch viel Spaß beim Lesen!