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Gecko (Vor-)lesegeschichte: Die Maus, die nicht schlafen wollte

 

Eine Geschichte von Lotte Kinskofer mit Illustrationen von Martina Mair

Rot und gelb war das Ahornblatt, das sich vom Baum löste und langsam zur Erde sank. Die kleine Haselmaus Felix sah verträumt dabei zu. »Wenn die Blätter fallen, dann kommt bald der doofe Teil vom Jahr«, seufzte Felix. »Der Winterschlaf.« »Ich mag den Winterschlaf«, widersprach sein Freund Fridolin. »Draußen ist es ungemütlich und kalt, ich kuschle mich warm ein und wenn ich wieder aufwache, ist es Frühling.« »Ich will aber wissen, wie es im Winter ist!«, sagte Felix.

Andere Tiere hatten ihm erzählt, dass es früher dunkel wurde als im Sommer. Aber die Menschen machten Lichter in den Gärten. Und wenn es schneite, war die Welt ganz weiß. »Im Winter gibt es nichts zu fressen«, erklärte Fridolin. »Woher willst du das wissen, wenn du schläfst?«, erwiderte Felix und beschloss, andere Tiere zu fragen.


Er traf den Kuckuck, der sich gerade sein Gefieder putzte. »Kuckuck, was machst du im Winter?«, fragte Felix. »Ich verreise«, sagte der Kuckuck. Dann erzählte er, dass er in den Süden flog. Dort war es warm und er wartete auf den Frühling. »Manche Menschen machen das auch«, plauderte er. »Sie fliegen mit dem Flugzeug dahin, wo fast immer die Sonne scheint.« »Nimm mich mit«, bat Felix, »ich will nicht den ganzen Winter verschlafen!« Aber der Kuckuck schüttelte den Kopf: »Du bist zwar klein und leicht, aber es ist zu weit, um dich zu tragen.«


Felix war traurig. Er hätte so gerne im Süden überwintert. Er fragte den Hund, der an einem Baum
schnüffelte: »Was machst du im Winter?« »Dasselbe wie im Sommer«, meinte der Hund und erzählte ihm vom Leben bei den Menschen. Er wohnte im Haus, sie fütterten ihn, sie gingen mit ihm spazieren. »Das machen sie jeden Tag?«, fragte Felix nach. Er war beeindruckt, dass der Hund sich nicht selbst etwas zu fressen suchen musste. Der Hund nickte und wollte weiter, doch Felix hielt ihn auf. »Was muss ich tun, damit ich über den Winter auch bei den Menschen wohnen darf?« Der Hund kratzte sich mit der Pfote hinter dem Ohr und dachte nach. »Man muss ihnen das Gefühl geben, dass sie wichtig sind«, sagte er dann. »Ich wedle mit dem Schwanz, dann wissen sie, dass ich mich freue, sie zu sehen.« Felix versuchte es. Doch mit seinem langen Schwanz zu wedeln, das klappte gar nicht. Er wollte den Hund noch etwas fragen, aber der war schon weitergelaufen, sein Mensch hatte nach ihm gerufen.


Felix befragte noch viele Tiere, was sie im Winter machten. »Ich will schlafen«, sagte die Kröte. »Ich lege mir ein dickeres Fell zu«, erzählte der Feldhase. »Ich bekomme von den Menschen Körner«, hoffte die Kohlmeise. »Ich muss am Boden scharren und Futter suchen«, seufzte das Reh und fügte hinzu, dass das manchmal sehr anstrengend sei. »Ich wäre froh, wenn ich schlafen könnte.«

Inzwischen war es tatsächlich kalt geworden. Doch Felix wollte einfach nicht schlafen. Da sah er eines Tages diese kleinen, weißen Flocken, die vom Himmel fielen. Manche setzten sich auch auf ihn, sie waren kalt und zerschmolzen gleich zu Wasser. ›Das ist der Winter, jetzt werde ich viele Abenteuer erleben‹, dachte er noch, aber er war auf einmal so müde …

»Endlich finde ich dich!«, hörte er seinen Freund Fridolin rufen. »Ich habe eine tolle Erdhöhle gefunden. Da passen wir auch beide rein!« Felix schüttelte den Kopf. »Schlafen ist doof.« Fridolin aber gab nicht auf: »Sieh dir die Höhle wenigstens an.« Felix folgte seinem Freund. Es fiel ihm schwer, so weit zu gehen. Warum war er nur so müde?

Fridolin war sehr stolz auf seine Höhle. Sie war besser als der Baumstumpf, den sie sich im vergangenen Winter geteilt hatten. »Gemütlich ist es hier«, sagte Felix und gähnte. »Nicht wahr?« Fridolin freute sich über das Lob. »Aber ich will nicht schlafen«, meinte Felix und gähnte noch viel mehr. Fridolin sah ihn kopfschüttelnd an. »Was willst du dann?« »Abenteuer erleben mit Schnee und Lichtern und …« Da war Felix schon eingeschlafen. Fridolin deckte sie beide mit Blättern zu, schloß die Augen und wartete schlafend auf den Frühling.

Felix erlebte viele Abenteuer. Im Traum sah er sich mit den Schneeflocken spielen, mit den Lichtern im Garten tanzen, er sah sich mit den Vögeln in den Süden fliegen und mit dem Hund bei den Menschen wohnen. Als er die Augen wieder aufschlug, war der Schnee weg und die ersten Knospen zeigten sich. »Komm, wir gehen Abenteuer erleben«, sagte Fridolin. ›Aber das habe ich doch die ganze Zeit!‹, dachte Felix und krabbelte hinaus in die Sonne.


Autorin Lotte Kinskofer, geboren in der Nähe von Regensburg, studierte Germanistik in München. Sie wollte einen Beruf, der mit Lesen und Schreiben zu tun hat. So wurde sie Journalistin, hatte aber bald Lust, eigene Geschichten zu erzählen. Es entstanden die Texte zu den Bilderbüchern »Der Tag, an dem Marie ein Ungeheuer war« und »Gemeinsam bin ich stark«, das Kinderbuch »Der Klavierling« und Bücher für Jugendliche und Erwachsene.

Illustratorin Martina Mair wurde 1971 in Freising geboren, besuchte die Berufsfachschule für Grafikdesign in München und studierte an der Akademie der Bildenden Künste in München Malerei. Sie arbeitet freiberuflich für verschiedene Kinderbuchverlage, sowie als freischaffende Künstlerin. Martina Mair lebt in München.

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Wir wünschen Euch viel Spaß beim Lesen!