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KrimiZeit für Kinder: Wir übernehmen jeden Fall

 

Illustration: Ulf K. für die ZEIT, www.ulf-k.blogspot.com

In einer Krimisammlung für Kinder sind sie ein Muss: »Die drei ???« ermitteln seit den 1960er Jahren

Von Susanne Gaschke

Totenköpfe sprechen, Mumien flüstern, gemalte Augen blinzeln, Drachen verlassen ihre düsteren Höhlen und suchen stille Küstenorte heim – die Welt der drei Detektive Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews ist voller unerklärlicher, bisweilen übernatürlich anmutender Phänomene. Vielleicht liegt es an der besonderen Luft im hollywoodnahen Rocky Beach, dass die Jungen ständig über filmreife Probleme stolpern.

Generationen von Lesern sind mit den Abenteuern der drei ??? aufgewachsen – so nennen sich die Hobbyermittler nicht etwa, weil sie generell ratlos wären (wie ihre gehässigen Gegner behaupten), sondern weil sie ihr Interesse für Geheimnisse, Rätsel und ungelöste Fragen symbolisieren wollen. »Wir übernehmen jeden Fall« steht als Motto auf ihrer Visitenkarte, und bis heute sind die Detektive diesem Versprechen an ihre Klienten treu geblieben. Was macht diese Serie so ungeheuer erfolgreich, wie konnte sie Jahrzehnte überdauern? 161 Folgen sind inzwischen in Deutschland erschienen, neun Autoren schrieben und schreiben daran, mehr als 16 Millionen Bücher wurden verkauft, die Hörspiele und Bühnenlesungen der drei Sprecher Oliver Rohrbeck, Jens Wawrczeck und Andreas Fröhlich genießen Kultstatus und ziehen ein Massenpublikum an.

Erstaunlicherweise sind die Bücher, die, soweit sie aus der Feder des profilierten amerikanischen Krimi-Autors Robert Arthur stammen, in den sechziger und frühen siebziger Jahren geschrieben wurden, sprachlich weniger gealtert als etwa Erich Kästners Emil und die Detektive. Dieser Klassiker der Kinderkrimi-Literatur leidet heute ein wenig an seiner zeitgebundenen Jugendsprache.

Robert Arthur vermeidet diese Falle. Er skizziert das Leben und die unglaublichen Erlebnisse seiner Helden mit einem mitteldicken Stift: Allzu viele Details erfahren wir nicht über sie, dafür gibt es viel Raum zum Ausmalen. Ausgangspunkt jeder Episode ist der durch Schrott und Sperrmüll perfekt getarnte Campinganhänger, der auf dem Schrottplatz von Justus’ Onkel steht und den alle Erwachsenen längst vergessen haben. Welches Kind wünscht sich nicht eine solche »Zentrale«, in der man ungestört arbeiten kann? Die drei Detektive haben nicht nur mehrere Geheimgänge zu ihrem Zufluchtsort angelegt, er ist auch technisch erstklassig ausgerüstet – mit Labor, Dunkelkammer und Telefon.

Überhaupt stützen sich die Jungen bei ihren Ermittlungen stark auf Technik (und auch die unheimlichen Vorkommnisse in ihren Fällen sind meist eher technisch als jenseitig zu erklären). Die drei haben in den frühen Folgen natürlich noch keine Handys, wohl aber Walkie-Talkies; kein Internet, aber das kollaborative Instrument der »Telefonlawine«, die Kinder in der ganzen Stadt mobilisiert. Die Mumie flüstert mittels Ziellautsprecher im Sarkophag vor sich hin; der unheimliche Drache läuft auf Schienen über den Strand. Dafür, dass ihre Mobilität in der bergigen Gegend nicht allein von Fahrrädern abhängt, sorgt ein Rolls-Royce (mit Fahrer), dessen gelegentliche Nutzung Justus in einem Preisausschreiben gewonnen hat. Es scheint, als hätten die drei Detektive praktisch immer Sommerferien – mit zeitraubendem Schulbesuch ließe sich ihre umfassende Ermittlertätigkeit auch kaum vereinbaren.

Bob, der häufig in der Bibliothek jobbt, ist der Rechercheexperte der Truppe – aber auch ihre vergleichsweise blasseste Figur. Peter liegt im Dauerclinch mit Justus, dessen Fremdwörtervernarrtheit und bisweilen aufgeblasene Ausdrucksweise er bekämpft – freilich ohne jeden Erfolg. Zudem ist Peter der Angsthase des Trios, fest davon überzeugt, dass ihn ihre Einsätze eines Tages das Leben kosten werden, egal, ob ihn nun das »blaue Phantom« erwischt, ob ihn der Zorn des Pharaos trifft oder das Organisierte Verbrechen ihn auslöscht. Peters Angstattacken sorgen für viel Komik in den Büchern, er ist ganz entschieden ein Sympathieträger. Justus hingegen, der »Erste Detektiv«, ist eigentlich ein Antiheld: etwas dicklich, unsportlich, dafür nur allzu stolz auf seine intellektuellen Fähigkeiten. Trotzdem geht es nicht ohne ihn: Er ist Gehirn, Motor, Seele der Gruppe. Dass ihre wichtigste Figur kein Superheld ist, sondern ein latent arroganter Intellektueller, dürfte auf paradoxe Weise zum Erfolg der Serie beitragen. So wie der ewige Sommer und die Tatsache, dass Jungen – Kinder(!) – hier etwas tun, was viele Erwachsene sich niemals zutrauen würden.

Eingebettet sind die Abenteuer der Hobbyermittler – auch die um Geisterschloss und Mumienfluch – in eine immer gleiche Rahmenhandlung: Die Detektive berichten ihre Erlebnisse dem berühmten Hollywood-Regisseur Albert Hitfield. (Ursprünglich rapportierten sie dem berühmten Regisseur Alfred Hitchcock, doch der deutsche Verlag zweifelt inzwischen daran, dass junge Leser ihn noch kennen und verehren; daher die Namensänderung). Was zuvor im schnellen Lauf der Erzählung nicht aufgeklärt werden konnte, wird in Hitfields Büro entwirrt. Wer als Leser gut mitgedacht hat, kann freilich alle Lösungen schon vorher erraten.

In der Stadtteilbibliothek, in der ich als Kind gern Bücher auslieh, gab es nur wenige Reihen, die wegen großer Beliebtheit rationiert wurden. Die drei ??? gehörten dazu: Jedes Kind durfte jeweils nur zwei Bände ausleihen. Das Gespensterschloss und Die flüsternde Mumie zählten damals zu meinen Favoriten – und ich bekam sie selten genug zu fassen. Noch heute halte ich die beiden Bände , die wir in unsere Edition aufgenommen haben, für zwei der stärksten Titel (auch wenn ich natürlich nicht alle 161 Folgen gelesen habe). Ihr Autor Robert Arthur macht sich zunutze, dass praktisch alle jungen Leser sich für Spukhäuser und altägyptische Rätsel interessieren und sich aus der Sicherheit ihres Lesesessels heraus gern ihren Gefahren aussetzen wollen. Dabei geht das Gruseln selbst für unsere hartgesottenen Zeiten immer weit genug – zu weit aber nie.

Die beiden spannenden Krimis „Die drei ??? und die flüsternde Mumie“ und „Die drei ??? und das Gespensterschloss“ findet Ihr im sechsten Band der 15-teiligen neuen Krimiedition für Kinder von der ZEIT. Hier erfährst Du mehr darüber.