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Die ZEIT Edition „Kinderfilme aus aller Welt“ – Teil 9: Nur geträumt?

 

Erleben spannende Abenteuer in der orientalischen Märchenwelt: Hamide, Lippel und Arslan und ihr Hund Muck/ © Universum Film & collina film

Weil Lippel unter einer boshaften Erzieherin und mobbenden Mitschülern leidet, rettet er sich in eine Märchenwelt

Lippels Traum ist ein vollkommen entschlossener Unterhaltungsfilm für Kinder. Mehrere Schwache können einen Starken besiegen – ja; am Ende triumphiert die Tugend über das Böse – ja; steh zu deinen Träumen – ja: Solche pädagogisch wertvollen Einsichten transportiert der Film zwar auch. Aber das tut fast jedes Märchen, und diese Lehren sind hier nicht entscheidend.

Der eigentliche Konflikt, um den es in Lippels Traum geht, ist der eines Kindes, das sich gegen eine unglaublich und abgrundtief böse Babysitterin behaupten muss. Das Kind gewinnt am Ende – und alle Komik des Films hat dabei etwas mit Schadenfreude zu tun, Schadenfreude darüber, dass sich das Böse einmal so wenig auszahlt.

Zugleich gehört die Anlage der bösen Erzieherin, Frau Jakob, zu den eindeutigen Schwächen des Films. Frau Jakob soll den Jungen Philipp, genannt Lippel, betreuen, während sein Vater in Amerika ist. Sie ist die Hexe, die verruchte Stiefmutter, die es darauf anlegt, den (verwitweten) Vater zu heiraten und das aus ihrer Sicht überflüssige Kind zu verdrängen.

Dass dieses Motiv wenig überraschend und gut bekannt ist – geschenkt. Was aber der Regisseur (und wohl auch der Autor Paul Maar, der bei dieser Verfilmung seiner Romanvorlage tatkräftig mitwirkte) für abgrundtief böse halten – zum Beispiel, dass Lippel (Kreisch! Horror!) seinen Teller nach dem Essen selbst in die Spüle stellen soll –, ist nur mehr alberne antiautoritäre Pose.

Dabei wäre Anke Engelke, die Frau Jakob spielt, durchaus in der Lage gewesen, echte Gefühlskälte und wahre seelische Grausamkeit gegen ihren Schützling zu zeigen. Aber sie darf in ihrer Rolle nur eine Karikatur sein, eine amoklaufende Mary Poppins. So wirkt manch komisch angelegte Szene einfach nur überzeichnet albern.

Dafür hat der Rest der Geschichte Tempo und eine schön verflochtene Doppelhandlung. Lippel hat in der realen Welt so allerlei Probleme zu bewältigen: Er kämpft mit der Sehnsucht nach seinem Vater, muss die unerträgliche Babysitterin ertragen, wird von mobbenden Schulkameraden schikaniert und leidet zu allem Überfluss auch noch an einer Grippe. Um diesem Elend zu entfliehen, versucht der Junge, im Traum das Unheil abzuwenden, das ihn tatsächlich bedroht.

Dieser Traum ist inspiriert durch ein Buch mit Märchen aus Tausendundeiner Nacht, das sein Vater ihm geschenkt hat. Es sollte dem Sohn helfen, die Woche des Getrenntseins durchzustehen. Was gelingt, wenn auch anders, als der Vater vermutlich gedacht hatte. Das Morgenland aus den Geschichten bildet die Kulisse für Lippels Abenteuer, die er mit Personen aus seinem Umfeld bestückt: Ein marokkanischstämmiger Schulfreund spielt die Rolle eines wahren Königssohnes, der vom Vater verstoßen wird, weil der ihn für einen Lügner hält. Das ist er natürlich nicht, eine gewissenlose Tante (wiederum Anke Engelke) hat ihn verleumdet, weil sie selbst auf den Thron strebt und keinen Erben gebrauchen kann, der ihr im Weg steht.

In der wirklichen Welt kämpft Lippel für seine Mitschüler Arslan und Hamide, die von beschränkten Klassenkameraden als »unsere Türken« verspottet werden. Im Biologieunterricht zum Beispiel nimmt er eine Tat auf sich (das Umwerfen eines Mäusekäfigs), die übelwollende Altersgenossen Hamide hatten unterschieben wollen. Und im Traum versucht Lippel ebenfalls, Prinz Arslan und dessen Schwester zu retten. Die werden zunächst in die Wüste verbannt, sollen von gedungenen Mördern beseitigt werden (alles ein Werk der bösen Tante), schaffen es aber mit Lippels Unterstützung, sich wieder zurück in die Stadt und sogar in den Königspalast zu schmuggeln (Letzteres verborgen in einem Gemüsekarren mit einer Lieferung Kürbisse für die königliche Küche). Hier findet sich eine Parallele, die zu entdecken Kindern Freude macht: Die junge Frau, die den Helden beim Einschleichen hilft, gibt es auch in der Wirklichkeit, da arbeitet sie im Restaurant von Lippels Vater.

Lippels Treue und Solidarität zahlen sich aus, als klar wird, was Frau Jakob im Schilde führt. Da stehen ihm Arslan und Hamide zur Seite, um diese finstere Frauengestalt endlich aus Lippels Haus und Leben zu vertreiben. Gemeinsam bereiten sie Fallen vor: Zum Beispiel sperren sie die zahme Vogelspinne des Biologielehrers in die Küchenschublade, um die Spinnenphobikerin Jakob das Fürchten zu lehren. Den Rest des Hauses dekorieren sie mit Gummispinnen, was ihre Feindin schließlich so in Panik versetzt, dass sie sich aus einem Erdgeschossfenster stürzt, direkt in ein großes Fass mit Wasser und – Tomatenpüree.

Das ist die späte, süße Rache: Denn viel zu oft hat die Erziehungsdiktatorin Jakob Lippel dazu gezwungen, Tomaten in den unterschiedlichsten Aggregatzuständen zu essen, obwohl er sie erklärtermaßen hasst. Da ist ein Bad in Tomatensuppe wirklich keine allzu grausame Bestrafung.

Das Ende des Films ist dann schön wie im Märchen: Da ist der Vater endlich wieder daheim, die Bedrohung ist abgewendet, das Abendessen steht auf dem Tisch, und die reizende Mitarbeiterin des Vaters, die Lippel auch im richtigen Leben eine Hilfe war, heißt Serafina…

Nun wird alles gut.
KinderZEIT empfiehlt den Film ab 6 Jahren.

Die neue ZEIT Edition „Kinderfilme aus aller Welt“ umfasst zehn preisgekrönte Spielfilme, die zeigen, wie Kinder in verschiedenen Ländern leben, wovon sie träumen, wofür sie kämpfen. Für Mädchen und Jungen von 6 bis 12 Jahren. Alle Filmen zusammen kosten 89,95 Euro und können hier bestellt werden. Der Reinerlös geht an das Kinderhilfswerk terre des hommes.

1. Whale Rider
2. Tsatsiki – Tintenfisch und erste Küsse
3. Wintertochter
4. Ein Pferd für Winky
5. Die Stimme des Adlers
6. Billy Elliot – I will dance
7. Zaïna – Königin der Pferde
8. Soul Boy
9. Lippels Traum
10. Kinder des Himmels