Werner Färbers Urlaubskrimi ist spannend, witzig, intelligent – und ein Stück Medienkritik
Wie müsste ein Junge beschaffen sein, der als Held eines Jungenbuchs taugt, das noch dazu auch von Mädchen gelesen wird? Die Antwort, die Werner Färber in seinem Urlaubskrimi „Das Krokodil im Silbersee“ gibt, ist einfach und überzeugend. Marco, der elfjährige Held und Ich-Erzähler, begegnet seiner Mutter, wie es sich in dem Alter gehört, zugleich mit abgeklärter Ironie und der noch nicht erloschenen Sehnsucht nach Nähe. Er freut sich, dass er im Urlaub die gleichaltrige Anne kennenlernt; vor allem gefällt ihm, dass sie genauso schlagfertig ist wie er selbst. Er kocht gerne, weshalb im Anhang des Buches die Rezepte seiner Lieblingsspeisen wie Blitz-Pasta, oder Verlorene Eier »à la Marco« aufgeführt werden. Und er fotografiert viel, was sich im Laufe der Geschichte als sehr nützlich erweisen wird.
Kurzum, Marco ist ein durch und durch normaler Junge, weder besonders draufgängerisch noch besonders verzärtelt. Als seine ihn allein erziehende Mutter sich ausgerechnet in Annes Vater verguckt, konstatiert Marco cool: »Im Übrigen war Herr Plambeck der netteste Mann, den Mama in den letzten Jahren sympathisch gefunden hatte. Unter ihren Fastfreunden und richtigen Liebhabern waren ein paar merkwürdige Exemplare gewesen. Zum Teil richtige Knalltüten.« Der im besten Sinne entspannte unaufdringliche Ton ist damit gesetzt.
Marco und seine Mutter sind in den Sommerferien mit dem Campingbus unterwegs, als ihnen zunächst eine Rotte Wildschweine und kurz darauf Anne, Robbie und Frau Mahlzahn begegnen. Robbie ist ein Punk (»Die Zahl seiner Ohrlöcher war auf die Schnelle nicht festzustellen«) und Frau Mahlzahn ein Krokodil, genauer: eine Kaimandame. Robbie transportiert sie in einem Fahrradanhänger; später verschwindet Frau Mahlzahn und wird − in Abwesenheit − zur Attraktion eines bis dahin wenig besuchten Campingplatzes.
Nicht von ungefähr erinnert die Geschichte vom Krokodil im Silbersee an das legendäre Ungeheuer von Loch Ness. Vor ein paar Jahren produzierte ein Widergänger des Ungeheuers in einem deutschen Baggersee viele sommerliche Schlagzeilen. Dieses Krokodil im Baggersee, war es, das den Autor Werner Färber zu seiner Krimi-Geschichte inspirierte. Dass Färber einmal als Lehrer im schottischen Dundee und damit in Monster-Nähe arbeitete, mag seine Fantasie zusätzlich beflügelt haben.
Fast nebenbei liefert Färber ein hübsches Stück Medienkritik. Denn erst füllt Marcos Mutter, die Journalistin ist, die Seiten der Lokalzeitung mit aufregenden Nachrichten vom Silbersee, woraufhin immer mehr Schaulustige den Weg dorthin finden. Dann taucht ein Fernsehteam auf, um die Suche nach dem Krokodil ins Bild zu setzen. Marco beobachtet verwundert, wie die Reporterin Regieanweisungen gibt: »Als Erste ließen sich die Feuerwehrleute überreden. Die Aussicht, ins Fernsehen zu kommen, stachelte sie an.« Am Ende muss aber auch Marcos Mutter erkennen, dass sie mit ihren Artikeln jemandem auf den Leim gegangen ist.
Färbers Geschichte lebt von dem Witz und der Beiläufigkeit, mit der Marco die Welt betrachtet. Das gilt für das Turteln der Erwachsenen genauso wie für das Agieren des Fernsehteams oder für den Dorfpunk Robbie: »Obwohl er sich tatsächlich von allem unterschied, was ich in meinem bisherigen Leben zu Gesicht bekommen hatte, fand ich Mamas prüfenden Blick peinlich. Andererseits – so viele Leute, die sich mit himmelblauen Igelhaaren und einer dreifach gepiercten Augenbraue in die Öffentlichkeit wagten, gab es auch wieder nicht.«
Gezielt bricht der Autor die eine oder andere Erwartung und vermeidet so plumpe Lehren. Gut und Böse sind zwar klar zu unterscheiden und treten, je länger die Geschichte dauert, umso deutlicher hervor. Aber der ökologisch korrekte Campingplatzbetreiber ist alles andere als ein Sympathieträger, die beiden Zoologen, die versuchen, den verschwundenen Kaiman mit artgerechten Schmatzgeräuschen anzulocken, erscheinen durchweg als lächerliche Gestalten. Und selbst Annes Vater, der nette Herr Plambeck, spielt bei dem Versuch, die Aufmerksamkeit von Marcos Mutter zu fesseln, nicht durchgängig fair.
Das Krokodil, so viel darf an dieser Stelle verraten werden, wird am Ende wieder auftauchen. Ansonsten gilt, was Marco schulterzuckend feststellt: »Was rätselhafte Ereignisse anging, schien der Silbersee unerschöpflich.«
Der spannende Krimi „Das Krokodil im Silbersee“ von Werner Färber ist der fünfte Band der 15-teiligen neuen Krimiedition für Kinder von der ZEIT. Hier erfährst Du mehr darüber.