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KrimiZeit für Kinder: Rufus war es nicht!

 

Illustration: Ulf K.

Verbrechen und Intrige im alten Rom: Henry Winterfeld erzählt eine fesselnde Kriminalgeschichte

Von Anna von Münchhausen

Historische Stoffe als Kinderbuch? Das ist oft schwierig. Gleich zwei Fallen lauern da: Entweder kann der Autor sich nicht zügeln und überfrachtet seinen Text mit Details. Oder er setzt so viel an Hintergrundwissen voraus, dass die Zusammenhänge verschwimmen. Das Ergebnis ist in beiden Fällen fragwürdig.

Dass die Caius- Reihe von Henry Winterfeld zum Klassiker wurde und seit ihrer ersten Veröffentlichung in den fünfziger Jahren Generationen von Leserinnen und Lesern lehrreich unterhält, ist so gesehen eine Überraschung. Schade, dass er nicht mehr lebt, der Verfasser. Man hätte ihn gern gefragt, diesen in Hamburg geborenen und nach Amerika übergesiedelten Henry Winterfeld, über den außer seinen Lebensdaten (1901 bis 1990) so gut wie nichts bekannt ist: Wie ist er auf die Idee verfallen, ein Jungs-Abenteuer ins alte Rom zu verlegen? Und wie gelang es ihm damals, einen Verleger von dem Projekt zu überzeugen? Jedenfalls muss Winterfeld selbst als Jugendlicher einen guten, nein, einen großartigen Lateinlehrer gehabt haben, der Leidenschaft und Fantasie gleichermaßen angefacht hat.

Es sind ganz normale halbwüchsige Jungen, die wir da in Rom kennenlernen: Rufus, Antonius, Julius, Mucius und Flavius. Gut, sie tragen keine Jeans und Sneakers, sondern Toga und Sandalen. Und in der Schule gibt es kein elektrisches Licht, sondern Handlaternen, die jeder mitbringen muss. Gleich auf den ersten Seiten passiert in der Schule etwas, was jeder schon erlebt hat: Einer piesackt, der Lehrer bekommt es mit, pädagogische Intervention. Und als Rufus überstürzt den Unterricht verlässt, hat er seine Laterne vergessen…

Was dann geschieht und dass plötzlich auf der Wand des Minerva-Tempels in roter Schrift »Caius ist ein Dummkopf« geschrieben steht (ein schrecklicher Frevel), summiert sich zu einer klassischen Detektivgeschichte mit vertrauten emotionalen Verwicklungen: Knatsch mit dem Lehrer; Mütter, die sich Sorgen machen, wenn man zu spät nach Hause kommt; biestige Erwachsene, die sehr gereizt reagieren, wenn sie sich in ihren Geschäften gestört fühlen. Den Halbwüchsigen werden gerade so viele individuelle Züge zugeschrieben, dass man ihre jeweilige Funktion in der Gruppe wiedererkennt: Da ist Mucius, der Mutige. Da ist Julius, der Vernünftige, der weiß, an welchem Punkt es wirklich gefährlich wird. Nicht zu vergessen Caius, der wider Erwarten doch rechtzeitig Farbe bekennt.

Die Jungen erfahren, dass Rufus für seine vermeintliche Missetat tatsächlich im Gefängnis sitzt. Ein Schriftsachverständiger hat seine Handschrift an der Tempelwand identifiziert. Dass ihr Freund ein Tempelschänder sein soll, erscheint den Mitschülern völlig abwegig. Da muss etwas anderes dahinterstecken. Wer aber sollte ein Interesse daran haben, Rufus hinter Gitter zu bringen, was womöglich den Tod bedeutet?

Atmosphärisch dicht wird der Alltag im Zentrum des römischen Weltreichs geschildert. Etwa der Markt, das Diana-Bad, die Situation der Sklaven, und selbst wie damals Nachrichten verbreitet wurden, spielt in der Indizienkette eine wichtige Rolle. Immer wieder lockern freche mythologische Anspielungen die Handlung auf. Als die Schüler ihren ziemlich ramponierten Lehrer Xantippus entdecken, der Opfer eines Überfalls geworden ist, sagt Antonius: »Wir wussten gar nicht, dass du im Schrank bist! Wir dachten, du seist in ein Schwein verwandelt worden. Odysseus ist auch in ein Schwein verwandelt worden – von der Zauberin Circe.« Xantippus hat allerdings gerade keinen Sinn für Odyssee-Parallelen.

Dass sich der vermeintliche Dumme-Jungs-Streich als veritable Intrige herausstellt, ist zwar eine Volte, die nicht jedem einleuchten muss, aber gerade noch akzeptabel. Doch hier und da muss der Leser große gedankliche Sprünge mitmachen: Warum, zum Beispiel, wird der knurrige Xantippus so plötzlich zum Verbündeten der Knaben? Warum fragt sich der Bäcker nie, wohin die geheime Tür in seiner Backstube führt?

»Caius ist ein Dummkopf«, Henry Winterfeld war es nicht. Womöglich hat er geahnt, dass seine Geschichte bildungsbürgerlichen Eltern als ideale Lektüre für den Nachwuchs erscheinen würde. Seine List jedenfalls funktioniert: Spontan versetzen sich seine Leser in die Epoche vor zweitausend Jahren und ahnen, wie man auch zurechtkommen kann – mit Schrifttafeln statt Handy, mit reitenden Boten statt Nachrichtensatelliten, mit Legionen statt unbemannten Drohnen.

Der spannende Krimi „Caius ist ein Dummkopf“ von Henry Winterfeld ist der siebte Band der 15-teiligen neuen Krimiedition für Kinder von der ZEIT. Hier erfährst Du mehr darüber.