Das Mädchen Zaïna lernt nach dem Tod der Mutter, seinen eigenen Weg zu gehen
Das Leben könnte für ein Mädchen wohl nicht trauriger verlaufen als für die Marokkanerin Zaïna: Ihre Mutter, eine Heilerin, die sich gut mit Kräutern und Gewürzen auskannte, ist gerade gestorben. Nun hat Zaïna niemanden mehr, sie ist ganz allein.
Wem soll sie vertrauen? Wer beschützt sie vor Omar, dem aufdringlichen Verehrer ihrer toten Mutter? Denn Omar hat es jetzt auf Zaïna abgesehen: Er will unbedingt, dass sie bei ihm bleibt, als Ersatz für ihre Mutter, die diesen Mann doch nie geliebt hat.
Um Omar zu entkommen, begleitet Zaïna ihren leiblichen Vater Mustafa in die große Stadt Marrakesch. Mustafa ist der einzige Mann seines Stammes, der sich dort auskennt, und so ist es seine Aufgabe, eine Gruppe von Reitern aus seiner Sippe zu einem berühmten Pferderennen in Marrakesch zu bringen.
Das schönste seiner Pferde heißt Zingal. Es hört nur auf Mustafa – bald aber auch auf Zaïna, die Pferde ebenso liebt wie ihr Vater.
Mustafa hat erst vor Kurzem überhaupt erfahren, dass er eine Tochter hat. Zaïnas Mutter hatte er nämlich lange vor ihrer Geburt verstoßen, nicht weil er es wollte, sondern weil die »Gesetze der Wüste« dies so forderten: Die mutige und furchtlose Frau hatte an dem Pferderennen in Marrakesch teilgenommen, das nur Männern vorbehalten ist. Das missfiel dem Clan, so etwas macht man als Frau nicht – also musste Mustafa sie bestrafen.
Anfangs mag Zaïna ihren Vater gar nicht, aber sie hat keine Wahl: Entweder muss sie bei Omar bleiben, den sie für den Tod ihrer Mutter verantwortlich macht, oder mit ihrem Vater gehen, der ihre Mutter vor Jahren einfach weggeschickt hatte. Es beginnt eine lange, harte und gefährliche Reise durch die raue Schönheit des Atlasgebirges.
Ist dies ein Märchen oder Realität? Sind wir im Hier und Jetzt – oder in einer Welt aus längst vergangener Zeit? Das sind die Fragen, die man sich als Zuschauer von Zaïna – Königin der Pferde stellt. Denn der französische Drehbuchautor und Regisseur Bourlem Guerdjou konnte sich offenbar nicht so recht entscheiden, ob er lieber ein Märchen oder doch einen Abenteuerfilm drehen wollte.
Um ein reines Märchen zu sein, gibt es in diesem Film aber zu viele Dinge, die man aus der Realität einiger muslimischer Länder kennt: dass Frauen und Mädchen nicht immer die gleichen Rechte haben oder nicht die gleichen Dinge tun und ausprobieren dürfen wie Männer und Jungen. Im Film ist es zum Beispiel das Recht, an einem Pferderennen teilzunehmen oder einen Mann zu verschmähen, den man nicht mag, so wie Zaïnas Mutter es einst getan hat
Doch es ist auch kein reiner Abenteuerfilm, den der Regisseur nach einem marokkanischen Mythos gedreht hat. Dazu gibt es dann doch zu viele Szenen, die an ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht erinnern: Etwa wenn arabische Männer mit dunkler Haut und hellen Augen, sich in langen weißen Gewändern vor der mythischen Kulisse des Atlasgebirges Säbelduelle liefern – in denen es um Stolz und Ehre geht. Dies sind Szenen, bei denen man sich als Zuschauer unsicher ist, ob man sie nun kitschig oder doch schön finden soll. Diese Unentschiedenheit ist wohl die größte Schwäche des Films.
Aber er hat auch Stärken. Vor allem, dass darin zwei sehr wichtige und interessante Themen klar herausgearbeitet sind: Freiheit und Selbstbestimmung.
Das ist verpackt in die Geschichte eines Kennenlernens. Zaïna und ihr Vater kommen sich während der Reise durch das Atlasgebirge ganz langsam näher und fangen an, einander zu mögen. Doch weil Omar nicht von Zaïna ablassen will, geht sie mit ihm eine Wette ein: Als Mann verkleidet, will sie an dem Pferderennen in Marrakesch teilnehmen. Zaïna tut, was einst schon ihre Mutter getan hatte und wofür diese dann verstoßen wurde.
Die Wette zwischen Zaïna und Omar ist ganz einfach: Wenn Zaïna das Rennen gewinnt, ist sie frei und kann bei ihrem Vater bleiben – gewinnt Omar, der ebenfalls teilnimmt, muss sie mit ihm gehen.
Bei dem Rennen passiert etwas sehr Bemerkenswertes – vielleicht ist es die interessanteste Szene im ganzen Film: Zaïna geht mit dem stolzen Pferd ihres Vaters, zu dem sie inzwischen auch eine besondere Beziehung hat, mit Zingal, an den Start. Sie hat ihre langen dunklen Locken und ihr Gesicht unter einem blauen Tuch versteckt. Sichtbar sind nur noch ihre dunklen Augen. Die Stimmung unter den Zuschauern ist angeheizt.
Das Rennen geht los. Zwei große Runden sind zu bestreiten. Nach der ersten Runde – Zaïna führt, aber Omar ist ihr dicht auf den Fersen – reißt Omar der verkleideten Reiterin das blaue Tuch vom Kopf.
Für einen kurzen Moment sind die Zuschauer still. Dann, als sie schließlich verstehen, was los ist, reagieren die Männer und die Frauen sehr unterschiedlich. Die Männer zetern und schimpfen wie Waschweiber. Die Frauen freuen sich, stimmen Lobgesänge an, und sie klatschen noch lauter als zuvor, als sie begreifen: Ein junges Mädchen hat sich getraut, sich genau das gleiche Recht herauszunehmen wie die Männer.
Und Zaïna? Nach einem Moment des Schreckens, nun als Mädchen aufgeflogen zu sein, reitet sie. Sie reitet, so schnell sie nur kann. KinderZEIT empfiehlt den Film ab 9 Jahren.
Die neue ZEIT Edition „Kinderfilme aus aller Welt“ umfasst zehn preisgekrönte Spielfilme, die zeigen, wie Kinder in verschiedenen Ländern leben, wovon sie träumen, wofür sie kämpfen. Für Mädchen und Jungen von 6 bis 12 Jahren. Alle Filmen zusammen kosten 89,95 Euro und können hier bestellt werden. Der Reinerlös geht an das Kinderhilfswerk terre des hommes.
1. Whale Rider
2. Tsatsiki – Tintenfisch und erste Küsse
3. Wintertochter
4. Ein Pferd für Winky
5. Die Stimme des Adlers
6. Billy Elliot – I will dance
7. Zaïna – Königin der Pferde
8. Soul Boy
9. Lippels Traum
10. Kinder des Himmels