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Präsidentschaftswahlen im Schlamm

 

Auf die Gefahr hin, in wenigen Stunden eines Schlimmeren belehrt zu werden: Die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen im Kongo ist weitgehend ruhig verlaufen.
In Kinshasa, wo die Einheimische und Ausländer nach den blutigen Feuergefechten im August neue Gewaltausbrüche am Wahltag befürchtet haben, hat strömender Regen offenbar die Gemüter gekühlt. Kinshasa hat sich in den frühen Morgenstunden dieses Sonntag in einen gigantischen Sumpf verwandelt. Und wer zettelt schon gern eine Straßenschlacht an, wenn er knöcheltief im Schlamm steckt.
Andererseits könnte das Wetter in der Hauptstadt die Wahlbeteiligung drücken. Bis mindestens zehn Uhr konnten die meisten Wahlhelfer getrost in Dämmerschlaf verfallen, was ihnen zu gönnen war, weil sie die Nacht zuvor bereits die Urnen und Wahlkabinen aus Pappe zusammengesteckt hatten. Bis Mittags hatten in vielen Wahlbüros gerade einmal ein Fünftel der Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben und von denen mussten viele durch hüfthohes Wasser warten, über bröckelnde Mauern klettern oder ihre Sandalen alle paar Schritte aus dem Schlamm fischen. „Und am Ende nuetzt es noch nicht mal was“, murrten drei betagte und beleibte Mamans, die mit gerafften Wickelröcken über ein fussbreites Holzbrett wankten, das jemand über einen gurgelnden Abwasserkanal gelegt hatte. Nur so gelangten sie in ihr Wahlbüro im Lyceé Technique de Kalamu. Nicht einmal der Präsident selbst kam ohne Dreckspritzer ins Wahllokal. Joseph Kabila stieg gegen Mittag aus seinem schwarzen Range Rover in den Schlamm, gab seine Stimme in einem Wahllokal im Stadtteil Gombé ab und verschwand mit dem schläfrig indigniertem Gesichtsausdruck wieder in seinem Wagen. Demokratische Hoffnungsträger sehen anders aus.
Der Regen mag rein polizeitaktisch ein Segen sein. Aber die stinkenden Pfützen, der schwimmende Müll und die überquellende Kloake haben diesem Tag auch jede Würde genommen, was zur aktuellen politischen Stimmung passt. Seit sich die Privatarmeen der beiden Kandidaten Ende August über mehrere Tage aus allen Rohren beschossen haben, weiss jeder, wie trügerisch die Ruhe sein kann.
In der zweiten Runde des Wahlkampfs wagte dann auch keiner der beiden Kandidaten einen einzigen öffentlichen Auftritt. Bei Amstinhaber Joseph Kabila dürfte wohl auch seine inzwischen berüchtigten Gabe, eine Rolle gespielt haben, mangels Charisma Wähler zu verprellen; sein Herausforderer und Todfeind Jean Pierre Bemba musste tatsächlich Angst haben, einen solchen Auftritt nicht zu überleben. An der Basis terrorisierten dafür ihre Anhänger nach Kräften die Parteibüros der jeweils anderen Seite, verhinderten Wahlversammlungen, zerstörten Wahlmaterial, „Vor der Wahl ist während der Wahl ist nach der Wahl“ lautet inzwischen das sarkastische Motto vieler Kongolesen. Und das schliesst mit ein, dass, wer es sich leisten kann, Wasser und Lebensmittel bunkert. Am 18. November soll der Sieger bekannt gegeben werden. Kabila wie Bemba haben beteuert, das Ergebnis zu akzeptieren. Und beide haben ihre Armeen aufgerüstet.