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Der Sieg des Rebellen

 

Jawohl, es ist geschafft! Fast ein Jahr, nachdem Thomas Lubanga, Warlord aus dem Bezirk Ituri, aus dem Kongo in das Untersuchungsgefängnis des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag, überstellt worden, hat das Gericht endlich beschlossen, ihn anzuklagen. Lubanga war Führer der ethnischen Miliz der Hema, die sich über mehrere Jahre im rohstoffreichen Ituri einen massenmörderischen Krieg gegen Angehörige der Lendu geliefert hatten (was eine verkürzte Darstellung des Frontverlaufs ist, aber das ist jetzt nicht das Thema). Nach langwierigem Vorverfahren soll der Prozess nun irgendwann im Frühsommer beginnen. Die Anklage beschränkt sich auf die Rekrutierung von Kindersoldaten.
Das zähe juristische Procedere gegen Lubanga stößt unter seinen Anhängern wie Gegnern in Ituri zunehmend auf Unverständnis. Abgesehen davon haben die Menschen in der Region andere Sorgen. Vor einigen Wochen zogen Soldaten der kongolesischen Armee (FARDC) plündernd durch die Bezirkshauptstadt Bunia, weil sie wieder einmal keinen Sold bekommen hatten. Im Hinterland kommt es immer wieder zu Kämpfen zwischen Armee und der Miliz eines übriggebliebenen, aber höchst agilen Kriegsherrn namens Peter Karim, wobei die Bevölkerung meist nicht weiß, wenn sie mehr fürchten muss: die Rebellen oder das Militär. Das führt uns wiederum zu einem altbekannten Mantra von Menschenrechtsorganisationen: Ohne eine wirkliche Reform der Armee geht im Kongo gar nichts.
Wo wir beim Thema Kriegsherren sind: Anders als Thomas Lubanga hat sich „le general“ sehr viel vorteilhafter aus der Affäre gezogen. Laurent Nkunda, selbsternannter Beschützer der ruandophonen Minderheit im Kongo und der starke Mann in der Provinz Nord-Kivu, galt als das letzte „große“ Hindernis im kongolesischen Friedensprozess. Nkunda, ein kongolesischer Tutsi, ist qua eigener Biografie ein Symbol für die katastrophale Verflechtung der Kriege im kleinen Ruanda mit denen im riesigen Kongo. Anfang der 90er aus dem Ostkongo nach Ruanda vertrieben, vertrieb er unter dem Kommando des jetztigen ruandischen Präsidenten Paul Kagame jene Hutu-Milizen in den Kongo, die 1994 den Völkermord an 800.000 Tutsi in Ruanda organisiert hatten. 1996 rückte Nkunda mit der ruandischen Armee in sein Heimatland ein – dieses Mal als Jäger eben jener Massenmörder und als militärische Spitze einer multinationalen Truppe (mit abertausenden von Kindersoldaten), die den kongolesischen Diktators Mobutu stürzte und den abgehalfterten Rebellenführer Laurent Kabila an die Macht brachte. Als letzterer 1998 seine ruandischen Gönner vertrieb, reihte sich Nkunda sofort in die Reihen der neuen Rebellengruppe des RCD ein, kämpfte im „zweiten kongolesischen Krieg“, der das Land schließlich unter Beteiligung sämtlicher Nachbar-Armeen völlig zerstörte. Dem Friedensabkommen 2003 verweigerte er sich, zog sich stattdessen mit einigen tausend Soldaten in die Masisi-Berge in Nord-Kivu zurück, wo er ein Gebiet kontrollierte, das nach Ansicht der meisten Besucher besser verwaltet war als der Rest des Landes.
Unbestritten ist, dass es im Kongo einen politisch leicht zu manipulierende Rassismus gegen die ruandophone Minderheit gibt, der sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder in Gewalt entladen hat. Zweifelhaft ist, dass Nkunda der geeignete Fürsprecher für seine Bevölkerungsgruppe ist. Der Mann ist zwar gottesfürchtig und präsentiert sich angeblich jeden Sonntag als evangelikaler Pastor. Aber bekanntermassen halten viele in der einen Hand die Bibel und in der anderen die Kalaschnikow. Nkundas Truppen werden Massaker, Massenvergewaltigunen und Plünderungen vorgeworfen. Die kongolesischer Regierung hat einen internationalen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt, Human Rights Watch wiederholt seine Festnahme gefordert. Doch weil Nkunda weder durch die kongolesische Armee noch durch UN-Blauhelme zu schlagen und zu fassen ist, hat sich der frisch gewählte Präsident Joseph Kabila nun auf ein Abkommen mit dem „General“ eingelassen. Mitte Januar liess die kongolesische Armee verlauten, Nkunda würde sich ins südafrikanische Exil absetzen, seine Truppen würden in die kongolesische Armee integriert. Momentan sieht es eher so aus, dass einige Soldaten der FARDC den Einheiten Nkundas beigemischt werden und dieser sich nun als Führer einer politischen Partei etablieren möchte. Bis auf weiteres scheint ihm das zu gelingen. Thomas Lubanga wird es in seiner holländischen Zelle mit Neid verfolgen.