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Die Golddealer mit den blauen Helmen

 

Neuigkeiten aus dem Kongo. Leider mal wieder unerfreuliche, was dieses Mal den – nein: einigen – Blauhelmen der UN zu verdanken ist. Wie die BBC berichtet, sollen pakistanische Blauhelme im kriegszerrütteten ostkongolesischen Bezirk Ituri am illegalen Goldhandel beteiligt gewesen sein und – schlimmer noch – eine der Bürgerkriegsmilizen mit Waffen ausgestattet haben. Die Vorwürfe betreffen ein pakistanisches Battalion, das im Jahr 2005 in der Goldgräberstadt Mongwbalu stationiert war. Die Goldminen von Mongwbalu waren das größte Beutestück in einem ethnisierten Krieg zwischen Milizen der Hema und der Lendu. Zur Erinnerung: Vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wartet derzeit Thomas Lubanga, ehemals Chef der Hema-Partei „Union des Patriotes Congolais“ (UPC) und ihrer Miliz, auf seinen Prozess wegen Rekrutierung von Kindersoldaten.
Die pakistanischen Blauhelme sollen nun vor zwei Jahren mit Lubangas Gegnern von der „Front Nationaliste Intégrationiste“ (FNI) Geschäfte gemacht haben. Die kontrollierten 2005 die Goldminen, erpressten „Schutzgelder“ und tyrannisierten die Bewohner. Nach Angaben von Human Rights Watch (HRW) und kongolesischen Menschenrechtsorganisationen sind pakistanische Offiziere in das Goldgeschäft eingestiegen. Unter ihrer Beteiligung soll Gold im Wert von mindestens zwei Millionen Dollar aus dem Land geschmuggelt worden sein. Damit nicht genug: Um die Beziehungen zu den lokalen Warlords zu fördern, sollen die Blauhelme den Milizionären jene Waffen zurückgegeben haben, die diese zuvor bei bei Demobilisierungsprogrammen der UN abgeliefert hatten. Geschäftspartner der Pakistanis waren demnach zwei lokale Kriegsherren mit den Spitznamen „Kung Fu“ und „Dragon“
Im UN-Hauptquartier waren diese Vorwürfe offenbar bekannt. Im August 2006 traf ein UN-Ermittlerteam in Mongbwalu ein, um die Vorfälle zu untersuchen. Die pakistanischen Offiziere gaben sich zunächst kooperationswillig, was sich schlagartig änderte, als die UN-Beamten die Festplatte eines Computers beschlagnahmen wollten. Da fuhren nach Recherchen der BBC plötzlich UN-Panzerfahrzeuge vor dem Quartier der Ermittler auf, die sich daraufhin „gründlich eingeschüchtert“ sofort ausfliegen liessen. Seitdem dümpelt die Untersuchung vor sich hin.
Hier nun eine Auswahl von Stellungnahmen der Betroffenen.
„Der Untersuchungsbericht ist noch nicht fertig. Aber ich streite mit aller Entschiedenheit ab, dass Blauhelme die Milizen wiederbewaffnet haben.“ (William Swing, Leiter der UN-Mission im Kongo)
„Da waren auch Truppen aus anderen Ländern im Kongo. Warum pickt die BBC unsere Soldaten heraus? Die UN können untersuchen, was sie wollen. Soweit wir wissen, haben sie bislang nichts gegen uns vorgebracht.“ (Generalmajor Wahid Arshad, Pressesprecher der pakistanischen Streitkräfte)
„Die UN haben eine Menge Informationen von Human Rights Watch erhalten, und 18 Monate später ist immer noch nichts passiert. Es sieht so aus, als ob da was unter den Teppich gekehrt wird.“ (Anneke Van Woudenberg, Kongo-Expertin von Human Rights Watch)
„Sollte der Untersuchungsbericht ergeben, dass es hier zu Verstößen und Vergehen gekommen ist, wird der Generalsekretär Ban Ki-Moon die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.“ (Michele Montas, Pressesprecherin der UN in New York)
Das Problem ist: Ban Ki-Moon hat über die pakistanischen Soldaten ungefähr so viel Einfluss wie über die Klimaerwärmung. Im Rahmen der UN gibt es kein Gremium, das Blauhelme für Verbrechen und Vergehen bestrafen, die sie während ihrer Einsätze begehen. Das liegt allein in der Verantwortung der Entsendeländer, und die kümmern sich in der Regel einen feuchten Kehricht um Straftaten, die ihre Soldaten bei UN-Einsätzen begangen haben. Das war – und ist – zu beobachten, bei den Vorwürfen gegen UN-Soldaten wegen sexuellen Mißbrauchs von Frauen und Mädchen in Bosnien, Mozambique oder dem Kongo. Das wird auch jetzt gelten, sollten sich die Vorwürfe gegen die pakistanischen Blauhelme bestätigen. Zumal Ban Ki-Moon wie schon seine Vorgänger in einem zusätzlichen Dilemma stecken: es ist unendlich schwierig, für Friedenseinsätze genügend UN-Truppen zu finden. Den westlichen Länder sind ihre Soldaten für solche Missionen zu schade. Und aus dem Rest der Welt kommt nicht immer das professionellste Personal, um es milde auszudrücken. Mit Ausnahme von Ländern wie Indien und eben Pakistan, deren Truppen bei der UN in New York heiss begehrt sind. Schon allein deswegen wird Ban Ki-Moon nichts weiter tun können, außer ein paar rhetorischen Floskeln der Empörung und Betroffenheit in die Welt zu setzen.
Also alles wie gehabt? Nein, nicht ganz. Berichterstattung über Skandale bedeutet immer auch Beschämung der Verantwortlichen. Pakistan wird derzeit von Pervez Musharraf, einem General, regiert, der bekanntermaßen derzeit reichlich innenpolitische Probleme hat. Die internationale Bloßstellung seiner Soldaten ist das letzte, was er derzeit brauchen kann. Bleiben also zwei denkbare Optionen: Entweder versucht die pakistanische Militärführung nun erst recht, alles unter den Teppich zu kehren. Oder sie tritt die heilsame Flucht nach vorn an und ermittelt selbst gegen die Beschuldigten. Was die UN-Mission im Kongo angeht: die wäre gut damit bedient, den Untersuchungsbericht, der nun plötzlich innerhalb von drei Wochen fertig sein soll, als erstes den Menschen in Ituri vorzulegen. Die werden sich einiges dazu zu sagen haben.