Nur kurz nachgetragen: auch gestern, am zweiten Verhandlungstag im Prozess, gegen den ehemaligen liberianischen Präsidenten Charles Taylor blieb die Anklagebank leer. Bereits bei der Eröffnung des Verfahrens am 4. Juni in Den Haag war Taylor in seiner Zelle geblieben. Aus Protest gegen die vermeintlich schlechte Ausstattung seines Rechtsbeistands hatte Taylor seinen Wahlverteidiger, den britischen Juristen Karim Khan, entlassen und erklärt, seinem Prozess so lange fern zu bleiben, bis der Sondergerichtshof für Sierra Leone ihm eine angemessene Verteidigung ermögliche. Taylor ist der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in elf Fällen angeklagt, weil er während des Bürgerkriegs im Nachbarland Sierra Leone die brutalste Rebellengruppe angestiftet und ausgerüstet haben soll.
Gestern nun ließ Taylor im Gerichtssaal ausrichten, was er sich unter angemessenem Rechtsbeistand vorstellt: mindestens einen, wenn nicht zwei Top-Juristen aus Großbritannien, sowie zwei weitere Rechtsanwälte – zu bezahlen durch das Gericht, da sich der Angeklagte als mittellos ausgibt. Das klingt zwar wie der pure Hohn in Anbetracht der Millionen von Dollars, die Taylor im Geschäft mit Blutdiamanten, Tropenhölzern und Kautschuk beiseite geschafft haben soll. Aber es ist schwer nachzuweisen, ob und wie er angesichts seiner international gesperrten Konten derzeit über sein Geld verfügt.
(Wer zum gestrigen Tag im Gericht mehr lesen möchte, dem sei der Bericht des Institute for War&Peace Reporting (IWPR) empfohlen. Überhaupt ist die Website des IWPR eine Fundgrube für alle, die sich für internationale Strafjustiz interessieren)
Inzwischen sind offenbar auch die Richter zu der Überzeugung gelangt, dass es mit Taylors Verteidigung gegen ein vergleichweise üppig ausgestattetes Team von Anklägern nicht zum Besten stand. Richterin Julia Sebutinde kritisierte die Gerichtsverwaltung, die sich schon vor Monaten um Taylors Beschwerden hätte kümmern sollen.
In einem Telefongespräch hat auch Karim Khan nachdrücklich gegen seine Arbeitsbedingungen protestiert. „Zehn Leute im Team des Anklägers gegen zwei im Team der Verteidigung … ich habe ja nie absolute Waffengleichtheit erwartet. Aber das hier war wirklich schlimm.“ Wochenlang hätten er und sein Assistent in Den Haag in Cafes arbeiten müssen, weil ihnen das Gericht kein Büro zur Verfügung gestellt habe.
Khan ist ein 37 jähriger, durchaus erfahrener Jurist, der bereits an den UN-Tribunalen für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda gearbeitet hat. Am Taylor-Prozess habe ihn unter anderem „die Herausforderung gereizt“. Und die besteht nach seiner Darstellung auch darin, selbst für die „berüchtigsten Angeklagten“ ein faires Verfahren nach höchsten rechtsstaatlichen Ansprüchen zu garantieren.
Um diese Herausforderung muss sich jetzt jemand anderes kümmern. Bis 31. Juli, so Richterin Sebutinde, müsse ein neues Verteidiger-Team angeheuert sein. Dann soll der Prozess fortgesetzt und Taylor womöglich auch unter Zwang vorgeführt werden. Ob dieser Zeitplan realistisch ist, darf bezweifelt werden. Kein seriöser Jurist kann sich innerhalb von fünf Wochen in diesen Berg an Ermittlungsakten einarbeiten.
Charles Taylor wird es recht sein. Bislang führt er Regie in diesem Drama. Nicht Richterin Sebutinde .