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Darfur? Da war doch was!

 

Nicht einmal zwei Monate ist es her, da überschlugen sich die Ereignisse in Darfur – zumindest in den Medien. Der Internationale Strafgerichtshof erließ Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar Al-Bashir wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der warf postwendend dreizehn ausländische Hilfsorganisationen aus dem Land und mehrere sudanesische NGOs aus der Krisenregion, und kündigte an, man werde sich selbst um die Versorgung der Flüchtlinge kümmern.
Dann verschwanden Darfur und der Fall al-Bashir vom Radarschirm der westlichen Medien (auch von dem der ZEIT).
Was also ist seitdem passiert?
Zuerst zur Lage der Flüchtlinge: Ein Teil der Nothilfe, die zuvor von Organisationen wie Médecins sans frontières, CARE oder Save the Children geleistet worden war, wird nun mit denselben lokalen Mitarbeitern unter dem Schirm der UN weitergeführt. Das funktioniert nach Berichten aus Darfur einigermaßen bei der Nahrungsmittelversorgung, höchst prekär ist die Versorgung mit Trinkwasser und der Betrieb von Kliniken. Mehrere Hunderttausend Menschen sind von jeder Gesundheitsversorgung abgeschnitten, in zwei Lagern ist Meningitis ausgebrochen.
Im Juni beginnt die Regenzeit. Sind bis dahin nicht größere Vorräte an Lebensmitteln, Medikamenten und Benzin für Wasserpumpen angelegt, könnte die befürchtete Hunger-und Seuchenkatastrophe tatsächlich eintreten.
Die sudanesische Regierung ist mitnichten in der Lage und willens, ausreichend Nothilfe zu leisten. Vielmehr gibt es vereinzelt Berichte über Brandstiftungen in den Flüchtlingscamps. Nach Ansicht von darfurischen Exilanten steckt dahinter die Strategie, die Flüchtlinge aus den Lagern in die Slums der größeren Städte zu treiben – und damit aus dem Fokus der internationalen Öffentlichkeit verschwinden zu lassen.
Prekär ist auch die Lage für die verbliebenen ausländischen HelferInnen. Wer noch in Darfur ist, riskiert zunehmend, Opfer eines Überfalls oder einer Entführung zu werden.
Rund 80 der ausgewiesenen internationalen Helfer stecken seit Wochen in Khartum in einer anderen Form von Geiselhaft. Da sie nach Lesart der Regierung „wegen Verstosses gegen sudanesische Gesetze“ ihre Ausweisung selbst verschuldet haben, müssen ihre Organisationen sechs Monatsgehälter für alle lokalen Mitarbeiter überweisen. Solange diese Transaktion nicht abgewickelt ist, dürfen sie das Land nicht verlassen.
„Es ist eigentlich fast schon eine kafkaeske
Situation“, berichtet eine Nothelferin vor Ort, „wie weit die sudanesische Regierung die internationale Staatengemeinschaft vor sich hertreiben kann, ohne dass die berühmte ‚rote Linie’ übertreten wird und irgendjemand endlich laut schreit: Es reicht!“
Die Frage ist nur: Wen genau soll man anschreien? Der Sudan bietet momentan das Bild eine multiplen Krisenherds: riesige Flüchtlingslager im westlichen Darfur, neue Gewaltausbrüche im halbautonomen Süden des Landes, lähmende Verunsicherung in der Hauptstadt, wo die politische Elite zwischen Sezessionsängsten, Weltwirtschaftskrise und internem Streit über ihren mit Haftbefehl gesuchten Präsidenten hin-und her schwankt. Dessen Konfrontationskurs wird keineswegs von allen Parteigenossen und Weggefährten geteilt. Viele blicken halb ratlos, halb hoffnungsvoll auf Washington und Barack Obama, der gerade erst seinen Parteifreund John Kerry und seinen neuen Sondergesandten Scott Gratian in den Sudan geschickt hat. Die warben nach ihrer Rückkehr in Washington bei der prominent besetzten Darfur-Lobby um einen diplomatischeren Kurs. Denkbar wären Kompromiss-Lösungen wie die Rückkehr internationaler Hilfsorganisationen unter anderem Namen, eine neue Verhandlungsinitative für den Süden, ein Exil-Angebot für Präsident Bashir.
Der läßt unterdessen Koranlesungen gegen den Haager Gerichtshof abhalten und reist in die arabische Nachbarschaft, um seine „Unantastbarkeit“ zu demonstrieren. Das birgt wenig Risiken, da die meisten arabischen Staaten das Statut des internationalen Gerichtshofs nicht unterzeichnet haben und deswegen nicht verpflichtet sind, Al-Bashir festzunehmen. Anders ist die Lage in Südafrika, das zu den Vertragsstaaten des Gerichts gehört. Sollte Al-Bashir zur Inaugurationsfeier von Jacob Zuma am 9. Mai anreisen wollen, müssten die südafrikanischen Behörden ihn verhaften – oder ihm im Vorfeld dringend nahe legen, gefälligst zu Hause zu bleiben.