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Mia, Madonna und die armen Afrikaner

 

Seit elf Tagen hungert die amerikanische Schauspielerin Mia Farrow für Darfur. Seit mehreren Monaten versucht die Pop-Sängerin Madonna, ein zweites Kind aus Malawi zu adoptieren. Farrow beschreibt ihr Fasten gegen Völkermord täglich auf ihrer Website und schildert mit der unbeirrbaren (Mit)Leidensfähigkeit einer Mutter Teresa, was der Hausarzt zu ihrem Gewichtsverlust sagt und was Barack Obama gefälligst endlich zur Regierung im Sudan sagen soll. Madonna lässt regelmäßig durch ihre PR-Agenten ausrichten, dass sie mit Adoptionen „Kinder aus dem Elend“ retten will und im übrigen mit ihrer Hilfsorganisation „Raising Malawi“ auch alle übrigen Waisen im Land.

Zwei berühmte Frauen mit so vielen guten Absichten! Warum bloß schwillt einem der Hals, wenn man sie reden hört?

Okay, es ist nicht fair, Mia Farrow und Madonna in einen Topf zu werfen. Die eine engagiert sich seit Jahren in Darfur, fährt in Flüchtlingslager, sammelt Geld, schreckt Kongress-Abgeordnete auf und protestiert nun mit Nahrungsverweigerung gegen die Ausweisung von 13 internationalen Hilfsorganisationen aus Darfur. Madonna hingegen rauschte erstmals 2006 auf einem ihrer Ego-Trips gen Malawi, setzte sich mit den Allüren einer Queen Almighty und vermutlich reichlich Geld über die nationalen Adoptionsgesetze hinweg und nahm einen Halbwaisen namens David, zu dem sie eine kosmische Beziehung zu verspüren glaubte, heim in ihren Kabbala-Fitness-Zirkus. Jetzt möchte sie ein malawisches Mädchen – koste es, was es wolle.

Mia Farrow, Madonna, Bono, Bob Geldof, Brangelina, George Clooney – die Liste der weißen Afrika-Freunde ist lang. Manche finanzieren sinnvolle Projekte, bei anderen darf man das bezweifeln. Manchen ist es ernst mit ihrem Engagement, andere schmücken sich mit Auftritten im Karitas-Jet-Set. Wenn sich David Bowie oder Gwyneth Paltrow mit aufgemalten „Stammeszeichen“ im Gesicht unter dem Motto „I am African“ fotografieren lassen, und das Ganze als Kampagne zur Rettung von Kindern in Afrika verkauft wird, dann ist das eben keine Form der Aufklärung, sondern der Rassismus der Gutmenschen. In diesem Fall der echt coolen Gutmenschen.

Pop-und Politstars bereisen Katastrophengebiete und adoptieren schwarze Babies „ungefähr so, wie meine New Yorker Freunde und ich ins Tierheim fahren, um Hunde zu adoptieren.“ Das schrieb Uzodinma Iweala, amerikanischer Schriftsteller und Sohn nigerianischer Eltern, im Sommer 2007 in einem viel beachteten Kommentar mit dem schönen Titel „Stop Trying To Save Africa“. Zu deutsch: Hört endlich auf, Afrika retten zu wollen.

Nichts gegen Solidarität und Hilfe für afrikanische Krisengebiete, sagt Iweala. „Aber man fragt sich wirklich, ob diese Hilfe aufrichtig ist oder ob damit die Überlegenheit der eigenen Kultur demonstriert werden soll.“ Er habe die Schnauze voll von Benefizkonzerten, Spendenmarathons und Wohltätigkeit-Galas, bei denen erst die afrikanischen Katatstrophen aufgezählt werden und dann irgendwelche weißen Prominenten berichten, was sie alles für Afrika getan haben.

Mia Farrow gehört nicht in diese Kategorie der edlen Selbstdarsteller. Sie gehört in die Kategorie der selbstdarstellenden Edlen. „Wenn die Medien durch mich einen Aufhänger haben, um an das Sterben in Darfur zu erinnern,“ schreibt sie in ihrem Blog, „dann hat sich die Sache schon gelohnt.“

Genau das ist ja das Problem. Wir brauchen immer noch weiße Gesichter, um Afrika zu sehen. Erst waren es die Missionare und Kolonialherren, jetzt sind es die VIP-Wohltäter. Wenn es um Menschenrechtsverletzungen in Russland, Birma oder dem Iran geht, identifizieren wir uns problemlos mit Betroffenen aus diesen Ländern, mit einer Anna Politkowskaja, einer Aung San Suu Kyi oder einer Shirin Ebadi. Das heisst: wir erkennen an, dass diese Menschen nicht nur Opfer sind, sondern auch Handelnde. Wenn es um den Kongo, um Darfur oder Malawi geht, brauchen wir Angelina Jolie, Mia Farrow oder Bono. Als ob es dort keine Aktivisten gäbe, die sich wehren, sich kümmern, sich engagieren. Als ob dort nur eine Masse der Hilf-und Wehrlosen, der Infantilen vor sich hindämmert, denen weiße Amerikaner und Europäer unter die Arme greifen müssen.

„Raising Malawi – Malawi groß ziehen“ – so hat Madonna ihre Organisation genannt. Stellen wir uns doch mal vor, Youssou N’Dour, der Weltstar aus dem Senegal, würde in Deutschland eine Stiftung gegen Kinderarmut mit dem Namen „Raising Germany“ gründen und sich mit väterlichem Lächeln und weißen Babies im Arm fotografieren lassen? ‚Was bildet der sich ein‘, würden wir sagen. ‚Der spinnt wohl.‘