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Zwei Erfolge für das UN-Ruanda-Tribunal

 

Ein paar Tage noch, dann soll am 19. Oktober  in Den Haag der Prozess gegen Radovan Karadzic eröffnet werden. Bevor die Scheinwerfer mal wieder auf das UN-Jugoslawien-Tribunal (ICTY) fallen, ein kurzer Blick auf den anderen UN-Strafgerichtshof, über den kaum einer redet:  Das Tribunal für Ruanda (ICTR).

Eigentlich sollte das ICTR, dessen Sitz sich im tansanischen Arusha befindet, bis 2010 seine Türen schließen. Doch noch laufen über 20 Verfahren – und gerade sind dem Gericht zwei große Fische ins Netz gegangen: Ende September lieferten die kongolesischen Behörden Grégoire Ndahimana nach Arusha aus. Ndahimana, ein Hutu,  war während des Völkermordes 1994 in Ruanda Bürgermeister der Stadt Kivumu und wird beschuldigt, dort ein Massaker an mehreren tausend Tutsi mit organisiert zu haben.

Wenige Tage wurde in Ugandas Hauptstadt Kampala Idelphonse Nizeyimana verhaftet. Nizeyiamana, ein ruandischer Berufsoffizier, stand auf der Fahndungsliste des ICTR ganz oben. Ermittlungen zufolge war er schon von 1990 an mit Plänen für einen Genozid an Ruandas Tutsi befasst und soll Sondereinheiten des Militärs für das Massenmorden im April 1994 befehligt haben. Am Dienstag wurde auch Nizeyimana nach Arusha ausgeliefert. Damit ist die Liste der flüchtigen Angeklagten des ICTR auf elf Namen geschrumpft.

Ruandas Nachbarländer, vor allem der Kongo, nehmen ihre Verpflichtung zur Strafverfolgung jetzt offenbar weitaus ernster. Ndahimana war im August in der kongolesischen Provinz Nordkivu während eines Militäreinsatzes gegen die Hutu-Miliz der FDLR festgenommen worden. In deren Reihen befinden sich bekanntlich mehrere Haupttäter des Genozids von 1994. Auch Nizeyimana, der ehemalige Offizier, war nach 1994 in den Ostkongo geflogen und hatte dort jahrelang für den politischen Flügel der FDLR gearbeitet. Deren Präsident, Ignace Murwanahsyaka, wiederum lebt seit Jahren als politisch anerkannter Flüchtling in Deutschland.

Für das UN-Ruanda-Tribunal sind das zwei bedeutende Fahndungserfolge. Und sie vergrößern das aktuelle Dilemma des Gerichts: Es muss – ähnlich wie das UN-Jugoslawien-Tribunal – seine eigene Abwicklung planen und hat gleichzeitig soviel Arbeit wie selten zuvor.

Für das Gericht in Arusha ist die Verhaftung von Nizeyimana ähnlich bedeutsam wie für das ICTY die Festnahme von Radovan Karadzic. Allerdings kann sie den einen großen Makel des ICTR nicht wett machen: Alle Versuche der Anklagebehörde, auch die Kriegsverbrechen der Tutsi-Rebellengruppe Ruandische Patriotische Front (RPF) zu untersuchen, wurden unterbunden. Die RPF hatte unter ihrem Führer Paul Kagame im Sommer 1994 den Genozid  gestoppt, die Täter mitsamt mehreren hunderttausend ruandischen Hutu in die Flucht geschlagen – und dabei nach Angaben von UN-Ermittlern und Menschenrechtsorganisationen selbst Massaker an mehreren zehntausend Hutu begangen. Kagame selbst hatte massiven Druck auf das ICTR und auf den damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan ausgeübt, jegliche Ermittlungen in Richtung RPF zu unterbinden – und dabei auch seine exzellenten Verbindungen zu den USA ausgespielt. Mit Erfolg, wie man sieht.

Kagame ist heute Ruandas Präsident und fährt unter internationalem Beifall einen erfolgreichen Kurs, den man als „autoritäre Politik der Versöhnung und des Wiederaufbaus“ bezeichnen kann. Ruanda gilt heute als  afrikanisches Musterländle mit Demokratie-Defizit. Eine Aufklärung der Verbrechen seiner RPF ist in weite Ferne gerückt. Was nicht ausschließt, dass ihn diese Vergangenheit irgendwann doch einholt.