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Naomis „schmutzige Steine“ – Supermodel Campbell sagt im Taylor-Prozess aus

 

Madame erschien mit Verspätung und indigniertem Gesichtsausdruck im Gerichtssaal, aber solches Gehabe ist Naomi Campbell ihrem Ruf als Diva schuldig. Davon einmal abgesehen, verlieh das Supermodel heute Morgen in Den Haag dem Sondertribunal für Sierra Leone (SCSL) gehörig Auftrieb. Man hatte ja fast vergessen, dass hier der zweite internationale Strafprozess überhaupt gegen einen ehemaligen Staatschef läuft – und zwar recht zügig und geordnet. Nach dem chaotischen Marathonverfahren gegen Serbiens Ex-Präsidenten Slobodan Milošević vor dem UN-Jugoslawien-Tribunal, das 2006 bekanntlich nicht mit einem Urteil, sondern dem Herzversagen des Angeklagten endete, geht es im Prozess gegen den ehemaligen liberianischen Staatschef Charles Taylor nach Startschwierigkeiten recht straff zu. Ein Urteil könnte noch in diesem Jahr fallen.

Hat Naomi Campbell nun eine entscheidende Aussage gegen den Angeklagten geliefert? Sagen wir es so: Sie hat sich alle Mühe gegeben, möglichst vage zu bleiben.

Taylor ist der Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. In seiner Amtszeit als Präsident Liberias (die sich durch horrende Menschenrechtsverletzungen auszeichnete) soll er Rebellen der Revolutionary United Front (RUF) im Nachbarland Sierra Leone mit Waffen versorgt und diese wiederum mit „Blutdiamanten“ bezahlt haben. Die Gräueltaten der RUF, darunter das Abhacken von Händen und Armen, ist ebenso ausführlich dokumentiert wie ihre Ausbeutung der Diamantenminen des Landes. Die Allianz zwischen Taylor und der RUF gilt als Fakt.

Das Problem ist: Was in Zeitungen oder Berichten von Menschenrechtsorganisationen steht, reicht als Beweismittel für einen Schuldspruch nicht aus. Taylors Verteidigungsstrategie ist denkbar einfach. Er streitet alles ab und hat sich vom Kriegstreiber zum Konfliktvermittler in Westafrika umgeformt. Von dieser Fassade konnten die Ankläger einiges abkratzen. Aber den Zeugen, der Taylor und Rohdiamanten direkt in Verbindung bringen konnte, hatten sie bislang nicht.

Bis Naomi Campbell kam. Nicht ganz freiwillig.

Campbell hatte 1997 an einem Celebrity-Dinner im Hause von Nelson Mandela teilgenommen. Mit dabei unter anderem der Musikproduzent Quincy Jones, die Schauspielerin Mia Farrow und Charles Taylor – damals bereits ein berüchtigter Kriegsherr, aber auch frisch gewählter Präsident Liberias und in Mandelas Augen womöglich gerade mitten in der Transformation vom Warlord zum Staatsmann.

Die Ankläger im Taylor-Prozess argumentieren, dass er 1997 mit Rohdiamanten aus Sierra Leone auf Waffenkauf in Südafrika gewesen sei. Taylor behauptet, er sei zur medizinischen Behandlung nach Südafrika gereist und habe nie irgendetwas mit Rohdiamanten zu tun gehabt. Am Morgen nach dem Dinner soll Campbell nun brühwarm Mia Farrow berichtet haben, nachts hätten Männer an ihre Hotelzimmertür geklopft und ihr mit besten Grüßen von Charles Taylor Rohdiamanten geschenkt. Was Farrow wiederum gegenüber dem Tribunal 2009 (reichlich spät, könnte man sagen) zu Protokoll gab.

Worauf Campbell die ganze Geschichte erst einmal abstritt und in der ihr eigenen Selbstbeherrschung einem Kameramann des US-Senders ABC wegen allzu hartnäckiger Nachfrage das Gerät aus der Hand schlug. Die Medien hatten ihre „Zicken-Story“ – und Chefanklägerin Brenda Hollis eine wichtige Zeugin, die allerdings erst mit Vorladung und Androhung von Zwangsmaßnahmen zum Erscheinen in Den Haag bewegt werden konnte.

Dort hat Naomi Campbell nun heute morgen ausgesagt, sie habe in jener Nacht von Männern einen „Beutel“ überreicht bekommen, diesen erst am folgenden Morgen geöffnet und darin „schmutzig aussehende Steine“ entdeckt. Von wem das Geschenk stammte, wollte sie nun nicht mehr wissen. Farrow habe beim Frühstück die Vermutung ausgesprochen, der großzügige Verehrer müsse wohl Taylor gewesen sein. Diese Aussage beißt sich mit der Darstellung von Farrow, wonach Naomi Campbell sehr wohl gewusst haben soll, wer der Gönner war. Und sie erlaubt nun Taylors Verteidigern die These, dass die dirty stones auch von einem unbekannten Verehrer geschickt worden sein können.

Im Übrigen wurde Frau Campbell nicht müde zu betonen, dass sie um die Sicherheit ihrer Familie fürchte. Sie habe irgendwann im Internet herausgefunden, dass Taylor ein gefährlicher Mann sei, der „Tausende von Menschen umgebracht haben soll.“ Ihre Zeugenaussage sei also eine „Unannehmlichkeit“, die sie schnell hinter sich bringen wolle.

Nun machte Frau Campbell keinen sehr gefährdeten Eindruck. Sie hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie ziemlich unvermittelt zuschlagen kann (nicht nur gegen Kameraleute, auch gegen Angestellte, die nicht spuren). Aber ihre Rehaugen-Show hatte den unbeabsichtigten Effekt, an all die anderen Zeugen zu erinnern. An die Überlebenden von Massakern, die vergewaltigten Frauen, die Verstümmelten, die bislang den Mut hatten, in Den Haag auszusagen. Und die dann in die bittere Armut ihres Nachkriegslandes heimgekehrt sind, wo sie im Zweifelsfall den Fußtruppen der RUF, den ehemaligen Kindersoldaten und Jungmännern jeden Tag auf der Straße begegnen, die damals im Auftrag ihrer Hintermänner mordeten. Denn das Sondertribunal, das nach dem Taylor-Prozess seine Tore schließen wird, verhandelt nur gegen die Hauptverantwortlichen des Bürgerkriegs, in dem Zehntausende Zivilisten getötet oder verstümmelt wurden.

Und wo sind die „schmutzigen Steine“ geblieben, die Naomi Campbell damals so lässig neben ihrem Bett deponierte? Sie behauptet, den Beutel an den Nelson Mandela Children’s Fund weitergegeben haben. Die Stiftung bestreitet das. Womöglich liegen die Diamanten ja noch in irgendeinem Supermodel-Schminkbeutel.