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Naomis „schmutzige Steine“ – Teil II

 

Die Woche fing nicht gut an für den Angeklagten. Auch nicht für den Superstar, der vergangenen Freitag im Zeugenstand Platz genommen hatte. Nach dem Auftritt  von Supermodel Naomi Campbell im Prozess gegen Liberias Ex-Staatschef Charles Taylor, hörte das Sondertribunal zu Sierra Leone (SCSL) Montag und Dienstag die Schauspielerin Mia Farrow und Campbells ehemalige Agentin Carol White als Zeuginnen.

Beide waren, wie Taylor und Campbell,  bei jenem Prominentendinner 1997 in Südafrika dabei gewesen, zu dem Nelson Mandela eingeladen hatte. Die entscheidende Frage für das Gericht: Hatte der liberianische Kriegsherr und Politiker damals dem Model Rohdiamanten geschenkt? Mit Diamanten soll Taylor für seine Waffenlieferungen an die Rebellen der „Revolutionary United Front“ (RUF) bezahlt worden sein, die ihrerseits während des Bürgerkriegs im Nachbarland Sierra Leone Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung verübten und die Diamantenfelder durch Zwangsarbeit ausbeuteten.

Seit Montag lautet eine zweite interessante Frage: Hat Naomi Campbell eine Falschaussage unter Eid abgegeben? Das Supermodel bestätigte bei seiner Vernehmung am Freitag mit sparsamen Worten gerade so viel: Ja, sie habe in jener Nacht im Hotelzimmer von ihr unbekannten Männern einen Beutel mit „schmutzig aussehenden Steinen“ erhalten. Nein, sie habe keine Ahnung, wer die Männer geschickt hatte.

Farrow und White erinnern sich anders.  Laut White habe Charles Taylor dem Model noch während des Dinners ein Diamantengeschenk angekündigt, worüber ihre damalige Chefin hoch erfreut gewesen sein soll. Auch Farrow sagte aus, Campbell habe sehr wohl gewusst, dass die Steine von Taylor kamen. Zwei Aussagen gegen eine. Glauben die Richter Farrow und White, so wäre der Ex-Präsident erstmals des Besitzes von Rohdiamanten überführt, den er bislang vehement bestritten hat. Taylors Anwälte unterstellten White, sie habe ein „Motiv zu lügen“, da sie in einer anderen Sache mit Campbell in einem Rechtsstreit liege. Farrow wieder fühle sich als „Mutter Teresa“ von Afrika, was wohl heißen sollte, sie mache grundsätzlich gern Jagd auf afrikanische Ex-und Nochstaatschefs. Das klang eloquent und bissig, wirkte als Verteidigungsstrategie aber doch etwas hilflos.

Die Star-Auftritte im Haager Gerichtssaal beschäftigen seit Tagen Boulevard-Presse und Klatsch-Kolumnisten. Und sie beschäftigen die Leute in Sierra Leone. Seit acht Jahren herrscht Frieden in dem Land, Zehntausende waren in dem elf Jahre dauernden Bürgerkrieg getötet worden. Zehntausenden wurden von der RUF Arme oder Hände abgeschlagen. 2004 begann das von der UN-unterstütztes Sondertribunal mit Prozessen gegen die Anführer der Kriegsparteien, acht sind inzwischen verurteilt, der Prozess gegen Taylor ist das Finale des Tribunals.

Public Trial Viewing gibt es in Sierra Leone nicht, nur wenige sind im Besitz eines Fernsehers. Aber die Menschen sehen CNN oder BBC in kleinen Holzbudenkinos, vorausgesetzt der Besitzer hat genügend Sprit-Geld für den Generator. „The diamond lady“ wird Campbell in der Hauptstadt Freetown genannt. „Was uns schockiert“, sagt Abu Brima, Aktivist beim „Network Movement for Jusitice and Development“, „dass sie nicht auf der Seite der Leute steht. Dass sie nicht laut und klar sagt: ‚Charles Taylor hat mir Diamanten gegeben.’“ Dass die „Diamanten-Lady“ nicht gewusst haben will, wer sie in jener Nacht in Südafrika beschenken ließ, glaubt in Freetown niemand.

Und wo sind die Diamanten jetzt?

Um das genau zu beantworten, müsste man wissen, wie viele es waren.

Laut Farrow erzählte eine entzückte Naomi Campbell an jenem morning after, sie habe von Taylors Männern einen „riesigen Diamanten“ bekommen. Laut White, die bei der Übergabe damals dabei war, sind es „fünf oder sechs“ Diamanten gewesen. Laut Campbell haben sich in dem Beutel drei kleine  Steine befunden, die sie dem Leiter der Kinderstiftung von Nelson Mandela übergeben habe. Dem ist nun nach dreizehn Jahren wieder eingefallen, dass  bei ihm zuhause noch drei Rohdiamanten herum lagen. Diese hat er nun der südafrikanischen Polizei übergeben. Ob sich noch weitere Steinchen oder besagter Riesendiamanten in dem Beutel befanden, wissen nur das Model – und der Angeklagte.

P.S.: Noch ein Nachtrag in eigener Sache für all jene Kommentarschreiber, die sich über den angeblich zu polemischen Ton im allgemeinen und bei meiner Berichterstattung über Naomi Campbells juristisch relevante Starallüren im besonderen empört haben:

1: Dies ist ein Blog, kein Amtsblatt.

2: Wer wie Naomi Campbell auf der superprivilegierten Überholspur durch die Welt saust, in ein Sechs-Sterne-„Hotel für Milliardäre“ investiert, gleichzeitig auf einem Image als Wohltäterin für arme Kinder besteht und dann nur unter Strafandrohung zu einer wichtigen Aussage in einem Prozess um schwerste Verbrechen (unter anderem gegen Kinder) veranlasst werden kann – nun ja, der ist mit Polemik noch verdammt gut bedient.