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Einmal Kinshasa – Stuttgart 21 und zurück

 

Morgen heißt es Daumen drücken. Für Deutschland. Nein, nicht für die Nationalmannschaft. Die kriegt das EM-Qualifikationsspiel in Kasachstan auch ohne unsere guten Wünsche hin. Sondern für die Regierung. Deutschland bewirbt sich um einen nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Abgestimmt wird darüber morgen in New York. Deutschland möchte mehr globale Verantwortung und mehr Einfluss bekommen: Kriege verhindern, Klimawandel stoppen, Atomraketen einmotten, die multi-polare Welt mit ordnen. Große Pläne, die man uns gar nicht zutrauen würde in diesen Tagen, da die große, weite Welt für unsere Medien, Politiker und Öffentlichkeit offenbar auf zwei S-Themen zusammengeschnurrt ist: Sarrazin und Stuttgart 21. Über die Schieflage zwischen globalem Anspruch und deutscher Wirklichkeit ließe sich viel kommentieren. Hier mal etwas anderes: Ein fiktives Telefongespräch über deutsche Verhältnisse mit einem kongolesischen Bekannten. Nennen wir ihn Alphonse:

Alphonse (nachdem er kurz die jüngsten, leider sehr realen Ereignisse in seinem Heimatland zusammen gefasst hat – ein paar Dutzend Cholera-Fälle im Südosten, kleinere Scharmützel mit Rebellen im Osten, Beginn der Regenzeit mit drohenden Erdrutschen in der Hauptstadt, angeblicher Selbstmord eines inhaftierten Regierungsgegners, der sich laut Polizei mit einem Kissen erhängt haben soll, wozu anzumerken ist, dass es in kongolesischen Gefängnissen keine Kissen gibt):
„Und was ist bei Euch so los?“

Ich: „Große Krise der Politik und ihrer Institutionen.“

Alphonse: „Warum das denn?“

Ich: „In einer Großstadt soll ein neuer Bahnhof gebaut werden. Viele Leute wollen das nicht, haben demonstriert und sind mit der Polizei aneinander geraten.“

Alphonse: „Wie viele Tote?“

Ich: „Liebe Güte, keine Toten. Einige Demonstranten wurden verletzt durch Tränengas und Wasserwerfer.“

Alphonse: „Haben Eure Polizisten keine scharfe Munition?“

Ich: „Doch. Aber hier wird nicht gleich geschossen.“

Alphonse: „Und wo ist jetzt die Krise?“

Ich: „Na ja, wir befürchten, dass die Politiker und die Politik immer mehr an Vertrauen verlieren, weil sie nicht mehr gut genug mit dem Bürger kommunizieren.“

Alphonse: „Was gibt’s da zu kommunizieren? Wenn die Regierung was bauen will, dann baut sie!“

Ich: „Das läuft hier anders. Der Bürger kann Einspruch einlegen bei solchen Bauvorhaben.“

Alphonse: „Und was macht die Polizei mit einem, der Einspruch einlegt?“

Ich: „Gar nichts. Der Einspruch wird angehört, und dann entscheidet man, ob der Bürger Recht hat.“

Alphonse: „Warum demonstrieren die Leute dann?“

Ich: „Weil sie das Gefühl haben, nicht richtig gehört worden zu sein. Weil manche den alten Bahnhof behalten wollen. Und weil für den neuen Bäume gefällt werden müssen.“

Alphonse: „Hör zu, sag Deinen Leuten, wir nehmen den Bahnhof. Und Eure Polizei auch.“

(Ende des Gesprächs, weil die Verbindung abbricht)