Der Sudan und der Südsudan werden die Welt eine Weile beschäftigen – und damit auch die think tanks und Experten. Hier eine Auswahl lesenswerter aktueller Studien und Strategiepapiere:
Eine kompakte, aber umfassende Analyse der Probleme für den Südsudan nach der Sezession – von der umstrittenen Grenzziehung über Fragen der Staatsbürgerschaft, der Aufteilung der Öleinnahmen bis zum Umgang mit Auslandsschulden – liefert Sudan-Experte Wolfgang Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in seinem Paper „Auf dem Weg zur Unabhängigkeit des Südsudan“.
Wie die Nachbarn des neuen Staates (und des alten Sudan) auf die bevorstehende Sezession reagieren, behandelt unter dem Titel „Sudan:Regional Perspectives on the Prospect of Southern Independence“ eine ausführliche Studie der International Crisis Group: Welche Rolle hat Äthiopien in der Geschichte des sudanesischen Bürgerkriegs gespielt? Warum zählen Uganda und Kenia zu erklärten Unterstützern eines unabhängigen Südsudan? Warum fürchtet Ägypten die Sezession?
Mit der Angst vieler afrikanischer Regierungen vor einem Dominoeffekt, also weiteren Sezessionsbestrebungen auf dem Kontinent, befasst sich ein Paper des United States Institute for Peace (USIP) unter dem Titel „Secession and Precedent in Sudan and Africa“.
Der Small Arms Survey, ein renommiertes Forschungsprojekt über Kriegsgewalt und die Verbreitung von Kleinwaffen, hat im September 2010 eine Studie über den Zustand der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) ins Netz gestellt. Die Umwandlung der SPLA von einer Rebellentruppe, die sich im Verlauf des Bürgerkriegs selbst schwere Kriegsverbrechen hat zuschulden kommen lassen, in eine professionelle Armee ist eine zentralen Voraussetzungen für einen funktionierenden Staat.
Und schließlich noch zwei Buchtipps:
„What is the What“ von Dave Eggers, in den USA ein Bestseller, ist die Biografie von Valentino Achak Deng, einem der über 200.000 sogenannten Lost Boys. So bezeichnet man jene jungen Männer, die im Kindesalter vor dem Bürgerkrieg flohen, über Monate und hunderte von Kilometern in Flüchtlingslager nach Äthiopien oder Kenia marschierten. Durch Minenfelder, niedergebrannte Dörfer, gejagt von arabischen Reitermilizen.
Achak Deng überlebte diesen Trek und bekam schließlich ein Visum für die USA. Dass man sich auch dort sehr verloren fühlen kann, beschreibt das Buch auf wunderbar lakonische und ironische Weise.
Inzwischen betreibt Valentino Achak Deng im Südsudan eine Stiftung zum Bau von Schulen.
„Emma’s War“ von Deborah Scroggins ist ein Klassiker unter Sudan-Reisenden und Soli-Bewegten aller Art. Das Buch erzählt die Geschichte der britischen Entwicklungshelferin Emma McCune, die sich während des Bürgerkriegs in den Rebellenführer (und heutigen Vize-Präsidenten des Südsudan) Riek Machar verliebt und ihn heiratet. Klingt nach fürchterlichem Kitsch, ist tatsächlich aber eine sehr gut geschriebene Biografie einr Frau, deren naiver Idealismus und Überidentifikation mit vermeintlich „edlen Rebellen“ zu politischer Blindheit führte. Machar ist für einige der schlimmsten Kriegsverbrechen und blutigsten Fraktionskämpfe innerhalb der SPLA verantwortlich.
Nebenbei lernt man einiges über die Hintergründe des Bürgerkriegs. „Emma’s War“ soll in diesem Jahr als Hollywood-Film in die Kinos kommen.