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Wenn der Erzfeind zur Feier kommt – oder: Warum Omar Al-Bashir auf der Gästeliste des Südsudan steht

 

Der Countdown zur Unabhängigkeit läuft, und die Herrschaften im südsudanesischen Informationsministerium machen sich zunehmend Sorgen um das Protokoll und die Sitzordnung auf der Ehrentribüne. „Wir wissen immer noch nicht, wer Ägypten vertritt“, sagt der Herr im Ministerium. „Und was sollen wir tun, wenn Gaddafi kommt?“

„Verhaften“, sage ich. Seine Miene verrät, dass er das nicht für einen konstruktiven Vorschlag hält. Zumal ein anderer potenzieller Gast noch viel größeres Kopfzerbrechen bereitet: Omar Al-Bashir. „Irgendjemand aus Khartum“, sagt der Herr im Ministerium, “muss ja die alte Flagge des Sudan entgegennehmen, wenn wir unsere neue Fahne hissen. Das ist der wichtigste Teil der Zeremonie.“

Vor einigen Monaten schien dieser Punkt des Protokolls politisch noch Sinn zu machen. Bashir hatte nach dem Referendum der Südsudanesen für die Unabhängigkeit im Januar eine Trennung im gegenseitigen Einvernehmen signalisiert. Über anhaltende Streitpunkte wie die zukünftige Aufteilung der Öleinnahmen, Fragen der Währung und Staatsbürgerschaft schien eine Einigung vorstellbar.

Aber inzwischen stehen die Zeichen wieder auf Konfrontation. Tendenz: Eskalierend.

Bashir hat, nach südsudanesischer Provokation, die Grenzregion Abyei überrollen lassen und blockiert seit Wochen den Handelsverkehr zwischen Norden und Süden, was zu empfindlichen Versorgungsengpässen führt. Inzwischen droht er mit einer Sperrung der Pipeline, durch die das Öl aus dem Süden exportiert wird.

„Und dann“, sagt der Herr im Ministerium, „ist da noch das Problem mit dem Haftbefehl.“

Nicht, dass die südsudanesische Regierung ernsthaft erwägen würde, Bashir im Fall seiner Anreise in Handschellen zu legen (auch wenn viele Südsudanesen diesen Anblick sehr genießen würden). Das Problem ist: Die Regierung in Juba möchte möglichst viele, möglichst hochrangige Gäste begrüßen. Barack Obama wird nicht kommen, womöglich aber Hillary Clinton, vielleicht sogar Vize-Präsident Joe Biden. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon soll den 193. Staat der Vereinten Nationen mit aus der Taufe heben. Aber neben oder auch nur in Sichtweite eines Mannes sitzen, der vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Verdachts auf Völkermord gesucht wird? Das geht gar nicht.

Was tun?

Hoffen, dass Al-Bashir in Khartum bleibt und seinen Außenminister nach Juba schickt, um die sudanesische Fahne abzuholen, die dort keiner mehr sehen will.

P.S.: Das Verfassen dieses Blogeintrags wurde unterbrochen durch ein ungeduldiges Klopfen an der Tür des Hotelzimmers. Razzia. Die Polizei war ausgeschwärmt, um Juba von Waffen zu „säubern“. Straßensperren überall, Durchsuchungen von Haus zu Haus. Ein großer, spindeldürrer Polizist schob mich beiseite und pflanzte sich hinter dem Bett auf. Sein Englisch war  rudimentär, mein Juba-Arabisch gleich Null. Der folgende Dialog verlief holpriger, als sich das in deutscher Übersetzung liest:

Er: „Waffe! Wo ist Waffe?“

Ich: „Wie bitte? Ich habe keine. Wieso sollte ich eine Waffe haben?“

Er: „Waffe hier?“ (Stochert mit einem Stock unter dem Bett herum.)

Ich: „Ich bin Journalistin. Ich habe keine Waffe.“

Er: „Sie geben Waffe. Wir wollen nur Waffe.“ (Hebt die Matratze hoch)

An dieser Stelle unterdrücke ich mühsam den deutschen Reflex, nach seiner Dienstnummer und einem Durchsuchungsbefehl zu fragen. Stattdessen öffne ich mit dem höflichsten Lächeln Schranktür und Tasche:

Ich: „Hier! Nix Waffen! Nur Wäsche! Okay?“

Er richtet sich auf, verheddert sich in meinem Moskitonetz und verliert offenbar das Gefühl, Herr der Lage zu sein. Ein Gesicht wahrender Ausweg muss her. Er deutet auf meine Cargohosen und meine Sandalen.

„Sie sehen aus wie Soldat. Soldat immer Waffe! Kein Problem.“

Spricht’s und verschwindet.