Einer fehlte noch. Nach der Verhaftung von Ratko Mladic war der Eindruck entstanden, das UN-Jugoslawien-Tribunal (ICTY) hätte seine Fahndungsliste abgearbeitet. Aber da war immer noch Goran Hadzic.
Wer bitte?
Hadzic, Goran, Jahrgang 1958. Karrierestationen: Lagerarbeiter und überzeugter Kommunist; dann Politfunktionär und überzeugter Nationalist; Mitbegründer und kurzzeitiger Präsident der ebenfalls kurzlebigen Republik Serbische Krajina, die sich auf dem Territorium des heutigen Kroatien befand; vom ICTY wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht – unter anderem wegen Massakern begangen von serbischen Einheiten unter Hadzics Oberbefehl an Kroaten. Verhaftet am vergangenen Mittwoch in einem Wald in der Region Fruska Gora in Serbien, als ein Helfer ihm Geld bringen wollte. Man sei, so heißt es aus Belgrad, dem Verdächtigen auf die Spur gekommen, weil dieser versucht habe, ein Bild des italienischen Malers Amedeo Modigliani zu verkaufen.
Mit etwas mehr Ermittlungsdruck und politischem Willen hätte Serbien den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Hadzic wohl schon früher festnehmen können – lange bevor dieser auf dem Kunstmarkt auf sich aufmerksam machte. Letztlich ist die Verhaftung ein Erfolg für jene Ermittler in Serbien, denen es um die Fahndung nach Kriegsverbrechern immer ernst gewesen war; für das UN-Tribunal, das seinen politischen Druck auf Serbien aufrecht hielt und damit eine zunehmend „Tribunal müde“ EU zwang, das Gleiche zu tun; und für die Überlebenden und Hinterbliebenen der Opfer – unter anderem jene 250 Menschen (überwiegend Kroaten), die 1991 von serbischen Milizen aus dem Krankenhaus von Vukovar verschleppt und exekutiert wurden.
Bleibt die Frage, wie ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher an ein Ölbild von Modigliani kommt. Nach Auskunft der serbischen Staatsanwaltschaft hatte Hadzic das Bild mit seinen Profiten aus dem Schmuggel von Treibstoff und Heizöl bezahlt – und zwar angeblich bereits 1991, im ersten Jahr des Kroatien-Krieges.
Das weist auf ein gern übersehenes Phänomen des Krieges hin: Oft gehen dieselben Männer, die Massenvertreibungen und Massaker befehlen, jedes erdenkliche Geschäft mit den Anführern des vermeintlichen Todfeinds ein. Vor und nach dem Krieg – und natürlich mittendrin: Sie dealen mit Zigaretten, Benzin und so ziemlich mit allem, was man in Raubkopie herstellen kann. Wenn es darum geht, in der Kriegsökonomie abzukassieren, spielen ethnischer Hass oder politische Ideologie keine Rolle mehr. Nicht einmal beim Waffenhandel, selbst wenn die Ware am Ende beim Gegner landet. In seinem Buch „McMafia“, erschienen 2008, beschreibt der britische Journalist Misha Glenny sehr genau die Vernetzung von organisierter Kriminalität und organisierter Kriegstreiberei.
Hadzic ging übrigens in den letzten Jahren auf der Flucht dann doch das Geld aus. Ähnlich wie im Fall von Ratko Mladic war sein Netz von Unterstützern aus Kreisen des Geheimdienstes und – vermutlich – auch der serbisch-orthodoxen Kirche arg geschrumpft. Am heutigen Freitag soll er von Belgrad nach Den Haag gebracht werden.
Die Frage ist, was mit dem Modigliani passieren wird. Das Bild soll bis zu 15 Millionen Euro wert sein. Keine schlechte Grundlage für einen Fonds zur Entschädigung der Opfer.