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Südsudan: Der Kampf um’s Öl (Teil 1)

 

Juba in der Nacht von Sonntag auf Montag. Die halbe Stadt sitzt vor dem Fernseher. Es ist nach ein Uhr morgens, da heben unzählige Stimmen an zu einem Chor, der zwischen Verzweiflung und Begeisterung taumelt, bis schließlich hemmungsloser Jubel über die Dächer schallt: Sambia hat nach Elfmeterschießen das Finale des Afrika-Cup gegen die Elfenbeinküste gewonnen. Der Underdog hat über den hohen Favoriten gesiegt. David gegen Goliath – solche Geschichten liebt man ganz besonders in einem Land, das den langen Kampf des armen Südens gegen den übermächtigen Norden zum Gründungsmythos erhoben hat.

Davon abgesehen, gibt es derzeit im Südsudan keinen Anlass zu Freudenausbrüchen. Schon vor der Unabhängigkeitsfeier im Juli 2011 mahnten viele, dass der Aufbau eines Landes mindestens so schwer ist wie seine Befreiung. Vom „pre-failed state“ munkelte mancher UN-Mitarbeiter, vom Staat, der schon vor seiner Gründung gescheitert sei.

Wie also sieht es aus nach den ersten acht Lebensmonaten? Das Straßennetz ist zaghaft gewachsen, die medizinische Versorgung besser geworden, mehr Kinder gehen zur Schule, der Grenzhandel mit Uganda und Kenia hat rege zugelegt, mit den Einnahmen aus dem Rohölexport ließe sich so einiges planen. Das ist sehr wenig gemessen an dem, was ein Land fast ohne jede Infrastruktur nach einem Jahrzehnte langen Unabhängigkeitskrieg braucht. Aber es sind Fortschritte, wenn man bei Null anfängt.

Bloß hören politische Krisen und Nöte mit der Unabhängigkeit nicht auf, sondern holen eine so wacklige Nation mit umso größerer Wucht ein: Die inner-ethnischen Konflikte um Wasser, Land und Viehdiebstahl sind in mehreren Regionen zu brutalen Kleinkriegen mit inzwischen mehreren Tausend Toten unter der Zivilbevölkerung geworden. Das Welternährungsprogramm (WFP) der UN hat wegen schlechter Ernten und schlechter Sicherheitslage gerade vor einer neuen Hungersnot im Südsudan gewarnt. Und im Streit um den Grenzverlauf und die Einnahmen aus den Rohölexporten sind sich die Regierungen in Khartum und Juba keinen Jota näher gekommen. Nun hat der Südsudan als letztes nicht-militärisches Druckmittel gegen den Norden die Ölförderung komplett gestoppt.

Zur Erinnerung: Zwei Drittel der sudanesischen Rohölproduktion kommen aus dem nunmehr unabhängigen Süden. Die Einnahmen aus dem Export sind Südsudans Gutschein für den Wiederaufbau und der ökonomisch höchste Preis, den Khartum für die Sezession zahlen musste. Doch das Regime von Präsident Omar al-Baschir kassiert durch Transportgebühren weiterhin mit. Denn die bislang einzige Pipeline führt nach Norden: zu den Raffinieren nach Port Sudan. Wie viel Geld an Khartum geht, ist ein Streitpunkt, der nun zu diesem prekären Erpressungswettlauf geführt hat. Prekär zunächst vor allem für den Süden. Denn der bezieht 90 Prozent seiner Staatseinnahmen aus der Ölförderung.

Die Folgen dieses Schritts für das eigene Land scheinen der Regierung erst jetzt langsam zu dämmern. Kein Öl, kein Geld = „Sparhaushalt“. Sagt der Finanzminister. Wo gespart werden soll, sagt er nicht. Der aufgeblähten Armee den Sold zu kürzen, kommt nicht in Frage. Nichts ist gefährlicher für die eigene Sicherheit, als unbezahlte hungrige Soldaten. Sozialleistungen? Gibt es ohnehin nicht. Kultur- und Sportförderung? Nicht wirklich. Ernährung und Landwirtschaft? Keine gute Idee, angesichts einer drohenden Hungersnot.

Also blickt die Regierung in Juba Hilfe suchend zur internationalen Staatengemeinschaft. Die Geberländer werden weiterhin humanitäre Hilfe leisten. Aber sie werden nicht das Haushaltsloch stopfen. Der Finanzminister hat nun die fromme Hoffnung geäußert, das Budgetloch durch konsequentes Eintreiben von Steuern zu stopfen. Bloß braucht man dafür eine professionelle Verwaltung, deren Aufbau zwanzig, dreißig Jahre dauern kann. (Oder noch länger, wie das Beispiel Griechenland zeigt)

Bleibt noch eine andere lohnenswerte Überlegung: das südsudanesische Parlament befasst sich derzeit mit einer Kassenprüfung aus den Jahren vor der Unabhängigkeit, als der Süden bereits weitgehende Autonomie und Budgethoheit genoss. Der zuständige staatliche Rechnungshof sucht allein für das Haushaltsjahr 2005/2006 nach dem Verbleib von 1,3 Milliarden Dollar. Das ist die schlechte Nachricht. Die bessere Nachricht besteht darin, dass es einen staatlichen Rechnungsprüfer gibt, der offenbar nicht nur die Klimaanlage in seinem Büro auf Trab hält.

Davon abgesehen, könnte das Land 1,3 Milliarden Dollar gerade verdammt gut gebrauchen.