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Hosenanzug und Redeverbot

 

Die Wahlen sind vorbei, jetzt fängt die Arbeit erst richtig an. Das dachten sich offenbar auch Kongos frisch vereidigte Abgeordnete und machten sich gleich nach der feierlichen Eröffnung des Parlaments daran, eine Hausordnung zu verabschieden. Artikel 61 befasst sich mit der Kleiderordnung – und die empfiehlt den weiblichen Abgeordneten „ein Kleid nach kongolesischer Art oder einen Rock mit Bluse oder Jacke“ zu tragen. Parlamentarierinnen, die in Hosen erscheinen, werden zwar nicht des Saales verwiesen, haben aber, Presseberichten zufolge, kein Rederecht. „Wir können den Verfall der Sitten durch eng anliegende, aufreizende Hosen nicht hinnehmen“, erläuterte der Abgeordnete Cyril Manzembele die neuen Regeln seinen verdatterten Kolleginnen. Von denen verwiesen einige etwas hilflos auf die gar nicht „schockierenden Hosenanzüge“ von Condoleeza Rice und Angela Merkel. Andere wie die Abgeordnete Vicky Katumwa, forderten die männlichen Volksvertreter auf, „endlich ihren Sexualtrieb unter Kontrolle zu kriegen.“ (Zur Verteidigung der Spezies Mann sei gesagt, dass auch einige Herren im Parlament gegen Artikel 61 protestierten.)
Zugegeben: der Kongo hat momentan größere Probleme als Monsieur Manzembeles Obsession mit engen Hosen. Aber sein heroischer Einsatz gegen den „Verfall der Sitten“ zeigt, welche Arbeit auf die Frauen in der neuen Nationalversammlung zukommt. 42 der 500 Abgeordneten sind weiblich. Die Kleiderordnung ist dabei noch ihr geringstes Problem. Schwerer wiegt, dass die Mehrheit der gewählten Volksvertreter nicht einmal gewillt war, einen Parlamentsausschuss für „Frauen-, Familien- und Jugendpolitik“ einzurichten.
Die kongolesische Zivilgesellschaft ist der Politik da schon um einiges voraus. Der Plünderkrieg der vergangenen Jahre hat enorm viele Opfer unter Frauen und Kindern gefordert, die Epidemie der sexuellen Gewalt hält ungehindert an, die klassische Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern ist durch Krieg und Staatszerfall längst zerstört.
Sofern ihre Kraft reicht, bleibt Frauen vielerorts gar nichts anderes übrig, als die Rolle der Ernährerin zu übernehmen, sich gegen Gewalt zu wehren, sich zusammenzuschließen, ein Leben „ohne Männer“ zu organisieren.
Das mag erklären, warum Monsieur Manzembele und die Mehrheit seiner Parlamentskollegen soviel Angst vor Frauen in Hosen haben.