Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Wenn Präsidentensöhne shoppen gehen

 

Eigentlich geht es niemanden etwas an, wenn die Reichen und (mehr oder weniger) Schönen bei Chanel, Gucci oder Louis Vuitton einkaufen gehen. Wenn sie die Rechnung allerdings mit der Kreditkarte einer Firma bezahlen, wird es schon interessanter. Und wenn die Kassen dieser Firma aus staatlichen Rohstoffeinnahmen gefüllt werden, dann stinkt die Sache zum Himmel.

Vor wenigen Wochen berichtete die ZEIT über Vorermittlungen der französischen Justiz gegen mehrere afrikanische Staats-und Regierungschefs und deren Familienangehörige wegen Verdachts auf Veruntreuung. Diese besitzen in Paris und an der Riviera fürstliche Immobilien – offensichtlich finanziert mit ihrer Beute aus der Staatskasse. Im Visier der Ermittler befinden sich (zunächst) die Präsidenten zweier Erdöl exportierender Länder: Denis Sassou-Nguesso aus der Republik Kongo (auch Kongo-Brazzaville genannt) und sein Amtskollege aus Gabun, Omar Bongo.

Dass die beiden Herren Ärger mit der Justiz bekommen haben, ist einer kleinen französischen Juristenorganisation namens Sherpa zu verdanken. Die hat sich einen Präzedenzfall in der französischen Rechtsprechung zunutze gemacht, wonach der Verdacht einer Straftat besteht, wenn der Lebenswandel einer Person eindeutig nicht durch deren Einkommen zu finanzieren ist. Afrikanische Präsidenten haben zwar ein fürstliches Gehalt – für den Ankauf diverser Villen und Apartments (mit Blick auf den Eiffel-Turm) reicht es dann aber doch nicht.

Die Familie Sassou-Nguesso hat nun auch in Großbritannien Probleme bekommen: Global Witness, eine Organisation, die den Zusammenhang zwischen Menschenrechtsverletzungen und Rohstoffausbeutung recherchiert, hat die Kreditkarten-Rechnungen des Präsidentensohnes Denis Christel auf ihre Internetseite gestellt. Der geht schon mal gern für 4000 Euro bei Louis Vuitton in Paris einkaufen, oder stockt das heimische Parfümdepot für 4700 Dollar bei Escada in Hongkong auf. Bezahlt hat Sassou-Nguesso Jr. dabei mit Kreditkarten von Scheinfirmen, deren Konten offensichtlich mit Geldern aus den Erdölverkäufen des Landes aufgefüllt werden.

Drei Milliarden Dollar hat die Regierung Sassou-Nguesso im Jahr 2006 aus Ölexporten eingenommen. Trotzdem ist das Land eines der ärmsten der Welt, 70 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als einem Dollar pro Tag. Kongolesische Aktivisten, die auf diesen Missstand hinweisen (und Organisationen wie Global Witness maßgeblich zuarbeiten), riskieren Gefängnisstrafen.

Über die Entlarvung durch Global Witness war die Familie Sassou-Nguesso so empört, dass sie die Veröffentlichung der Kreditkarten-Abrechnung durch ein Londoner Gericht verhindern lassen wollte. Am Mittwoch lehnte der London High Court diesen Antrag ab. Es sei eine zulässige Annahme, so der Richter, „dass diese Einkäufe mit den heimlichen persönlichen Profiten aus Ölgeschäften“ stammten.

An der Malaise der Menschen im Kongo ändern kurzfristig weder die Aktion von Global Witness etwas, noch die Aktionen der französischen Justiz (die die Sache wahrscheinlich gern begraben würde)
Doch für die Aktivisten in Kongo-Brazzaville steht fest: sie haben Alliierte in Europa, die ihrem Anliegen Öffentlichkeit verschaffen – und ihren Herrschern zunehmend Ärger. Denn anders als zu Zeiten von Mobutu Sese Seko (Zaire) oder „Papa Doc“ Duvalier (Haiti) können Diktatoren ihre Beute heute nicht mehr ungestört auf ausländischen Konten bunkern. Und womöglich denkt man ja in Brüssel bei der EU demnächst darüber nach, Herrschaften wie die Familie Sassou-Nguesso mit einem Einreiseverbot zu belegen. Auch wenn das auf Kosten von Louis Vuitton gehen würde.