Der kongolesische Menschenrechtler Floribert Chebeya ist tot. Die Leiche des Präsidenten der Organisation La Voix des sans-voix, (VSV – die Stimme der Stimmlosen), wurde am Mittwoch am Stadtrand von Kinshasa in einem Auto entdeckt. Laut Augenzeugen soll er mit gefesselten Händen auf der Rückbank gelegen haben. Sein Chauffeur Fidèle Bazana, ebenfalls ein Mitarbeiter von VSV, gilt als vermisst. Zwischendurch wurde berichtet, auch er sei tot aufgefunden worden. Die Polizei in Kinshasa ermittelt, der Polizeichef der Hauptstadt sprach gegenüber Radio Okapi von einer „schändlichen Tat“.
Für die kongolesische Zivilgesellschaft, aber auch für internationale Menschenrechtsorganisationen ist diese Nachricht ein gewaltiger Schock, obwohl sie – so brutal es klingt – zu befürchten war.
Der 46 jährige Chebeya zählte seit über zwei Jahrzehnten zu den konsequentesten Bürgerrechtlern im Kongo und hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Menschenrechtsverletzungen unter der Regierung von Präsident Joseph Kabila angeprangert. Er wurde wiederholt bedroht und mehrfach verhaftet, zuletzt im März 2009 von Angehörigen des Geheimdienstes ANR, als er zusammen mit anderen Aktivisten eine Demonstration gegen Kabilas zunehmend autoritären Politikstil ankündigte. Chebeya schilderte seine Festnahme wenig später einer Gruppe internationaler Menschenrechtler: Er und andere Verhaftete wurden in ein Auto gezerrt, „dann raste ein Geheimagent mit uns durch die Straßen, in der einen Hand einen Revolver, den er zum Horror von Passanten auf entgegenkommende Fahrzeuge richtete – wie die Unberührbaren in den Zeiten Mobutus.“
Zu den „Unberührbaren“ im Kinshasa von heute zählt John Numbi, Generalinspekteur der Polizei, den das Magazin Jeune Afrique in einem Portrait einmal als „bewaffneten Arm Kabilas“ bezeichnet hat. Numbi hatte Chebeya für den Nachmittag des 1. Juni in sein Büro vorladen lassen. Die letzten Lebenszeichen von Chebeya erhielt am Abend seine Frau per SMS. Darin teilte Chebeya mit, er sei auf dem Weg nach Hause, Numbi habe ihn doch nicht empfangen. In einer zweiten SMS wenig später kündigte er an, noch einen Umweg über die Universität zu nehmen. Dass diese zweite Nachricht tatsächlich von ihm stammt, bezweifeln sowohl seine Frau als auch andere Aktivisten.
Bis auf weiteres weigert sich die Polizei in Kinshasa, den Leichnam Chebeyas frei zu geben. Amnesty international und andere internationale wie nationale Organisationen verlangen eine unabhängige Untersuchung seines Todes. Schnelle Aufklärung forderten auch der belgische Außenminister Steven Vanackere sowie Guido Westerwelle, der just an diesem Donnerstag seinen kongolesischen Amtskollegen Alexis Thambwe Mwambe zu Besuch hatte. Das mag nach diplomatischen Pflichtfloskeln klingen. Doch die schnelle Reaktion ist ein wichtiges Signal an Kinshasa, dass solche Morde nicht mehr nur amnesty international und Human Rights Watch interessieren, sondern auch europäische Regierungen.
„Es ist ein Schock für uns alle“, sagte in einem Telefoninterview Jean-Paul Ngongo, Direktor der Menschenrechtsorganisation Voix de sans voix ni liberte (Stimme derer ohne Stimme und Freiheit – VOVOLIB) in Bukavu, Provinz Süd-Kivu. Ngongo, der mit Chebeya befreundet war, wollte ebenso wie andere Aktivisten nicht über den Tathergang des Mordes spekulieren, berichtete aber, dass Bürgerrechtler im Vorfeld der für 2011 geplanten Wahlen zunehmend unter Druck gerieten. „Die Machthaber reagieren extrem empfindlich auf jede Kritik.“
Nach einer längeren „Ruhephase“ sei auch er in den vergangenen Wochen wieder bedroht worden. Sein Haus werde jetzt nachts von einem bewaffneten Polizisten bewacht – eine Nachricht, die angesichts der herrschenden Verhältnisse nur mäßig beruhigen kann.
Floribert Chebeya hinterlässt eine Frau und fünf Kinder.