Die Angst vor der Allmacht des Staates – sie ist verschwunden in Tunesien, sie verschwindet in Ägypten, in Jordanien, im Jemen. Und offensichtlich auch im Sudan. Wie wackelig ist das Regime von Omar al-Baschir in Khartum? Ist auch im Norden des Sudan eine „Jasmin-Revolution“ möglich? Wie werden Polizei und Militär reagieren? Was würde das für den Südsudan bedeuten?
Seit Montag weiß man immerhin so viel: Al-Baschir ist angreifbar – vielleicht so angreifbar wie noch nie in seiner Amtszeit. Und: die Sicherheitskräfte versuchen, jeden Aufruhr im Keim zu ersticken. Ihr erstes Todesopfer ist ein Student namens Mohammed Abdurrahman.
Am Sonntag hatten Oppositionsgruppen im Sudan, inspiriert von den Ereignissen im benachbarten Ägypten, über Facebook und Twitter landesweit zu Protesten gegen Omar al-Baschir aufgerufen – also just zu dem Zeitpunkt, da aus Juba, der Hauptstadt des Südsudan, ein vorläufiges Ergebnis des Referendums gemeldet wurde. 99 Prozent haben für die Unabhängigkeit gestimmt. Dieses sozialistisch anmutende Votum ist zweifellos garniert mit kleinen Manipulationen, derer es aber gar nicht bedurft hätte. Die große Mehrheit im Süden will einen eigenen Staat. Der Süden braucht aber auch – so paradox es klingt – das Regime im Norden, um die zahlreichen Konfliktpunkte im Rahmen der Sezession zu regeln. Das letzte, was die Machthaber in Juba jetzt sehen wollen, sind tunesische Verhältnisse in Khartum.
Bloß trägt al-Bashir selbst dazu bei, solche Verhältnisse zu schaffen. Schon vor einigen Wochen hatte sein Regime drastische Preiserhöhungen mit der bevorstehenden Abspaltung des Südens begründet. Dass Bashir außerdem eine neue Welle der Islamisierung und damit einer Verschärfung der Scharia ankündigte, dürfte gerade unter jungen Städtern den Unmut zusätzlich gesteigert haben. Der wiederum wurzelt, so schreibt der sudanesische Blogger Magdi El Gizouli, in einer tiefen Unzufriedenheit über ein korruptes parteipolitisches Klientelsystem und eine erbärmliche parteipolitische Opposition.
„So wütend alle Demonstranten über die NCP sind, so frustriert sind sie auch von den Unzulänglichkeiten der Oppositionsparteien. Genau das drückt ihr Slogan shabab la ahzab aus. Jugend statt (politische) Parteien.“
Nicht, dass es am Sonntag in sudanesischen Städten Szenen wie in Kairo oder Tunis gegeben hätte. Aber in Khartum, im benachbarten Omdurman sowie in El Obeid und Kassala versammelten sich immer wieder Gruppen von mehreren Hundert junger Demonstranten. In Khartum setzte die Polizei Schlagstöcke ein, in Omdurman wurde offenbar geschossen.
Anders als die Ägypter oder die Tunesier haben die Sudanesen historische Erfahrung mit Volksaufständen: 1964 stürzten sie das Militärregime des damaligen Machthaber General Abboud, 1985 jagten sie, dieses Mal mit Unterstützung der Armee, den Diktator Jaafar Numeiri aus dem Amt. Keine schlechte Bilanz, nur führte leider keiner dieser Aufstände das Land dauerhaft in Richtung Frieden und Demokratie.
Und nun? Manches spricht dafür, dass al-Bashir auch diese Krise politisch überlebt. Seine „Nationale Kongresspartei“ (NCP) kontrolliert vom Wohnblockkomitee bis zur Armeeführung so ziemlich alle Machtstrukturen. Die oppositionellen Parteien sind sklerotisch und lassen sich nach Belieben gegeneinander ausspielen. Al-Bashir selbst genießt durchaus Rückhalt in einem großen Teil der Bevölkerung. Die internationale Gemeinschaft, derzeit vollauf mit dem fraglien Süden beschäftigt, hat derzeit kein Interesse an einem Machtwechsel oder einer größeren politischen Erschütterung in Khartum.
Bloß: All das hat man bis vor ein paar Tagen auch über Ägypten gesagt.