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Hört bloß auf, Frauen (so) ernst zu nehmen

 

Schon mit dem Titel stimmt irgendetwas nicht. „Die Dame im Spiel“ heißt der Vortrag von Joachim F. Meyer, Inhaber und Geschäftsführer von Caipirinha Games, den er auf den Games-Tagen in Berlin hält. Sein Unternehmen bastelt Computerspiele für Frauen und Mädchen, und dass er sie im Titel „Damen“ nennt, deutet schon darauf hin, dass er Schwierigkeiten hat, die Dinge beim Namen zu nennen.

Jedenfalls wiederholt dieser freundliche, schmale und etwas verklemmt wirkende Mann in den Vierzigern ständig, dass Frauen „auch ernst genommen werden wollen“. Als läge in diesem Satz ein Erkenntniswert. Wobei ernst nehmen für ihn vor allem bedeutet, man dürfe nicht ständig von ihnen verlangen, dass sie sich den Männerthemen anpassten, sondern müsse auf ihre eigenen Themenwünsche eingehen.

Und was sind für Meyer Frauenthemen? Er hat sie für sein Publikum auf einer Liste versammelt und jedem Gender-Theoretiker stehen ob dieser Liste die Haare zu Berge. Denn natürlich gehören dazu ausschließlich soziale und niedliche Dinge wie „Tiere“, „Helfen“, „Mode“, „Singen“ oder „Tanzen“. Da scheint selbst die Debatte in der Schwerindustrie schon weiter.

Meyers Firma hat zum Beispiel das Spiel zum Pferdecomic Wendy zu verantworten, oder Lauras Tierklinik. Und Meyer referiert darüber, dass es da um Fragen ginge wie: „was mache ich, wenn sich mein Hamster verlaufen hat?“ Und sagt, das „könnte man jetzt vielleicht als etwas albern empfinden, aber mir hat das auch Spaß gemacht, so ein Spiel zu entwickeln, weil das sehr positive Themen sind und die sich in der Öffentlichkeit auch gut darstellen lassen.“

Dabei jedoch schwingt in seinem Vortrag eindeutig eine zweite Bedeutungsebene mit und die lässt erahnen, wie das Team von Meyer redet, wenn die Öffentlichkeit nicht zuhört. Und auch, dass da schon mal der eine oder andere Witz gerissen wird, über die Mädchen und ihre Hamster.

Frauen wollen auch, sagt Meyer, dass man den Charakter der Spielfigur verändern kann. Er zeigt das an einem Spiel, das noch nicht fertig entwickelt wurde und daher noch keinen Namen trägt. In dem kann eine Latino-Frau mit der Oberweite von Pamela Anderson „verändert“ werden, „denn Frauen mögen Kreativität“. Es gibt also mehrere Buttons, die heißen dann „Nagellack“ oder „Frisur“ oder „Kajal“. Das Tolle, erzählt Meyer: „Auch während des Spiels kann die Frau jederzeit ins Bad gehen, um sich umzuziehen oder neu zu schminken.“

„Apropos Ernst genommen werden“, meldet sich eine junge Frau aus dem Publikum. „Ich fühle mich immer extrem verarscht davon, wie die Frauen im Spiel aussehen.“

In der Tat könnte man die Figur eigentlich ein bisschen mehr an die Realität anpassen, gibt Meyer zu. Aber für die üppigen Kurven hat Meyer eine Erklärung: Bei ihm arbeiten nur Männer. „Nein stimmt nicht“, korrigiert er sich, „in dem einen Studio ist die Sekretärin eine Frau.“ Außerdem müsse man als kleines Studio permanent bei den Verlagen um Aufträge buhlen und könne keine eigenen Sachen entwickeln. „Und da sitzen natürlich auch nur Männer, und die lassen sich davon im Zweifel eben mehr beeindrucken.“

Meyer sagt also: Der Markt will das so. Und übersieht das Henne-Ei-Problem. Schließlich reproduziert der Markt permanent die schlimmsten Stereotype. Das scheinheilige Reden vom „Bedürfnisse ernst nehmen“ wird daran kaum etwas ändern.

Zum Glück kann man auf die Mädchen und Frauen hoffen. Die zum einen lieber ein kluges, komplexes Spiel kaufen, als sich den Kopf über Nagellackfarben zu zerbrechen. Und die zum anderen damit leben können, wenn Frauen in Spielen wie Tomb Raider so sexy aussehen wie Lara Croft – schließlich macht sich ja auch keiner Sorgen um die armen Jungs, die von muskelbepackten Superhelden eingeschüchtert werden könnten.