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Tod eines Partners

 

Die deutsche Bundesregierung redet nicht gerne über Afghanistan. Erst recht spricht sie nicht gerne über die Lage im Norden des Landes. Dort hat die Bundeswehr die Verantwortung, dort verschlechtert sich die Sicherheitslage seit rund zwei Jahren. Der Gouverneur von Kundus, Mohammed Omar, ließ keine Gelegenheit aus dies zu beklagen. Er forderte seit geraumer Zeit ein härteres Auftreten der Bundeswehr. Sonst, so Omar, drohe die gesamte Region in die Hände der Taliban zu fallen. Jetzt ist er tot. Ein Selbstmordattentäter zündete in einer Moschee eine Bombe. Omar und zwanzig weitere Menschen starben. Einen Tag zuvor kam ein deutscher Soldat bei einem Selbstmordattentat ums Leben. Vierzehn weitere wurde verletzt.

Nun ist Omar in mancher Hinsicht eine problematische Figur gewesen. Er stand im Ruf korrupt zu sein. In den Straßen von Kundus war wenig Gutes über ihn zu hören. Doch für die Bundeswehr war er der zentrale Ansprechpartner in der Region. Die Deutschen arbeiteten mit ihm eng zusammen, nicht so sehr weil sie im vertrauten, sondern weil sie glaubten keine Alternative zu haben. Omar war ein Mann des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai. Und wann immer schwere Vorwürfe erhoben wurden, hielt Karzai seine schützende Hand über ihn. Die Botschaft aus Kabul war einfach: Ihr müsst mit Omar zusammenarbeiten. Diese Treue, so besagen es die Gerüchte in Kundus, hat Omar mit Koffern voller Geld bezahlt, die er alle paar Monate nach Kabul brachte. Und so blieb er der zentrale Mann über den viele Fäden zusammenliefen. Darum hat der Attentäter, der ihn umbrachte, eine Lücke gerissen, die vor allem den Deutschen große Sorge bereiten muss. Es fehlt nun der Ansprechpartner.

Omar wird ersetzt werden, sicher. Doch das ist nicht der Punkt. Sein Tod zeigt nicht nur wie schlecht die Sicherheitslage geworden ist. Er gibt auch den Blick frei auf ein beängstigendes Szenario.

Es kann gut sein, dass die Deutschen im Norden ihre Partner nach und nach verlieren. Entweder werden sie wie  Gouverneur Omar ermordet oder sie gehen auf Distanz aus Furcht vor den Taliban oder aus mangelndem Vertrauen an die Durchsetzungsfähigkeit der Bundeswehr. Dann würde es zwischen den Aufständischen und der Bundeswehr keinen „afghanischen Puffer“ mehr geben. Die Konfrontation würde direkter und härter werden. Zöge die Bundeswehr derart unter Beschuss gekommen ab, dann sähe es nach einer verheerenden Niederlage aus. Das freilich würde sie vermeiden wollen, auch um den Preis steigender Opfer in den eigenen Reihen. Mit andere Worten: Die Bundeswehr steckte in Afghanistan fest, während rund um sie der afghanische Bürgerkrieg sich weiter ausbreitet.

Ein zu spekulatives Szenario? Nein. Der Tod Omars und die Ratlosigkeit in Berlin weisen in diese Richtung. Auch  Verteidigungsminister Guttenberg kann mit forschen Sprüchen diesen sich auftuenden Abgrund nicht verbergen

Ulrich Ladurner, Eine Nacht in Kabul, Residenzverlag, EURO 21,90