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Der Libyen-Krieg ist festgefahren

 

Schnell wird ein Krieg selten entschieden — das ist auch in Libyen der Fall. Nach dem militärischen wie politischen Hin und Her herrscht jetzt eine Art Stillstand. Das wirft ein paar Fragen auf.

Warum kann sich Gadhafi halten?

Als Mitte Februar der Aufstand gegen den Diktator ausbrach, marschierten die Rebellen sehr zügig auf Tripolis zu. Es schien nur mehr eine Frage von Tagen zu sein, bis Muammar al-Gadhafi stürzt. Doch er hält sich. Das ist möglich, weil er Geld und Waffen hat. Und er muss auch über eine gewisse Unterstützung in der Bevölkerung verfügen. Es hieß immer, dass Gadhafi hauptsächlich Söldner auf die Rebellen losgelassen habe. Darüber gibt es viele glaubwürdige Berichte. Doch alleine mit Söldnern könnte sich Gadhafi nicht halten.

Die Wahrheit ist, dass wir sehr wenig darüber wissen, wer Gadhafi unterstützt. Es wäre aber für die Beendigung des Krieges entscheidend,  die Interessen der Gadhafi-Anhänger zu kennen. Dann könnte man Angebote formulieren. Solange aber Gadhafi nur als Psychopath beschrieben wird, bleibt der Blick auf die Interessenslage seiner Unterstützer vernebelt

Was ist, wenn die De-Facto-Teilung des Landes zementiert wird?

Es ist möglich, dass es zu einer dauerhaften Teilung Libyens kommt. Es gibt dafür ein vergleichbares Ereignis: Der Irak nach dem ersten Golfkrieg 1991. Nachdem Saddam Hussein in der Folge des Krieges grausam gegen die aufbegehrenden irakischen Kurden vorgegangen war, richteten die USA eine Flugverbotszone ein. Das führte zu einer über die Jahre sich verstärkenden Loslösung Kurdistans vom Irak. Doch Saddam Hussein blieb in Bagdad an der Macht.

„Wir halten ihn in seinem Käfig“, sagte später der britische Premier Tony Blair. Der Käfig wurde immer wieder mal bombardiert, um das „Monster“ – so wurde er beschrieben — nieder zu halten. Doch Saddam stürzte nicht. Er blieb eine erratische Figur, die für Unruhe sorgte. Auf Dauer wollte Amerika mit ihm nicht leben. 2003 schließlich entschloss sich Präsident George W. Bush zur Invasion des Irak. Begründet wurde der Krieg mit eklatanten Lügen.

Das Modell Irak ist für Libyen nicht ausgeschlossen. Möglich, dass sich Gadhafi lange halten kann, und das Land geteilt bleibt. Und es ist durchaus auch möglich, dass sich der Westen – insbesondere die Franzosen – mit einem solch dunklen Reich vor der Haustür nicht zufrieden geben will.

Wird der Westen tiefer in den Krieg hineingezogen?

Je länger dieser Krieg dauert, desto wahrscheinlicher ist das. Fast alle möglichen Szenarien weisen darauf hin. Es wird zum Beispiel der Frage nachgegangen, ob man den Rebellen Waffen liefern soll. Das geschieht bereits, wenn auch auf einem etwas niedrigeren, unauffälligerem Niveau. Doch wer Waffen liefert, der muss auch Ausbilder schicken, die die Aufständischen im Gebrauch dieser Waffen unterrichten.

Inzwischen wird entgegen aller Versprechen und entgegen der UN-Resolution 1973 auch die Entsendung von Bodentruppen diskutiert. Die militärische Situation in Libyen sei festgefahren, stellte US-General Carter Ham, der Chef des US-Afrika-Kommandos (Africom), dazu fest. Um Luftschlägen der Nato aus dem Weg zu gehen, operierten Gadhafis Truppen nun zu großen Teilen in zivilen Fahrzeugen, sagte er in Washington. Das mache sie als Ziele schwerer erkennbar und sie können mit den Oppositionstruppen verwechselt werden. Auch über Bodeneinsätze würde man daher wohl nachdenken.

Nach Irak und Afghanistan wäre das erneut eine Invasion in einem muslimischen Land. Und schließlich gibt es noch einen weiteren Punkt: Nato-Kampfflieger haben schon zweimal versehentlich Rebellen bombardiert und getötet. Das hat zu heftigen Protesten unter den Aufständischen geführt. Wenn es noch mehr solcher  „Kollateralschäden“ geben wird – und davon kann man ausgehen – wird die Intervention unter den Libyern an Popularität verlieren.

Auch dafür gibt es ein Modell: Afghanistan. Dort haben die Luftschläge der Nato immer wieder unbeteiligte Zivilisten getötet. Das hat ganz entscheidend dazu beigetragen, dass die Nato als Besatzungsmacht wahrgenommen wird. Diese Entwicklung ist auch in Libyen möglich.