Die Nato und die libyschen Rebellen haben Muammar al-Gadhafi so gut wie besiegt. Die Freude über den Sturz des Diktators ist groß. Trotzdem sollten ein paar dringende Fragen gestellt werden.
Welche Rolle hat die Nato gespielt?
Der Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen ermächtigte eine Intervention zum Schutz von Zivilisten. Mit „allen Mitteln“, außer mit Bodentruppen. Was genau aber hat die Nato in Libyen getan? Wir wissen von den Bombardements. Wir wissen aber nichts Genaues über den Einsatz von Spezialeinheiten auf dem Boden. Es gab darüber immer wieder Meldungen, die sich aber nie zu einem Gesamtbild zusammengesetzt haben. Doch man kann mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass Spezialeinheiten der Nato-Länder in Libyen operiert haben. Und sei es nur, um die Zielvorgaben für die Bombardements durchzugeben.
Wir wissen von Ausbildern, die die Rebellen für den Krieg trainiert haben. Wie viele waren es? Wer hat die Ausbilder geschickt? Hat die Nato die Ausbildung der Rebellenarmee an private Sicherheitsfirmen ausgelagert? Wir wissen auch von massiven Waffenlieferungen der Franzosen an die Rebellen, was nicht von der Resolution gedeckt ist. Gab es in der UN Proteste dagegen? Wer hat die Rebellen an diesen Waffen ausgebildet? Selbst das Wenige, was wir wissen, zeigt uns, dass die Nato sich nicht an die UN-Resolution gehalten hat, sie hat sie mehrfach gebrochen.
Warum ist es überhaupt wichtig zu wissen, was die Nato in Libyen gemacht hat? Gibt der Erfolg ihr nicht Recht? Heiligt der Zweck nicht die Mittel?
Seit der Westen gegen den Terror Krieg führt – also seit zehn Jahren – hat sich die Kriegsführung verändert. Sie hat sich mehr und mehr ins Dunkle verschoben. Geheimdienste, Spezialeinheiten, Drohnen, Killerkommandos — das sind die Akteure der neuen Kriege. Das ist ein gewaltiges Problem, weil sich das Militär damit mehr und mehr der demokratischen Kontrolle entzieht. Demokratie braucht Transparenz, doch Geheimoperationen sind das Gegenteil davon.
Wie viele Zivilisten sind ums Leben gekommen?
Als Muammar al-Gadhafi im Februar versuchte, den Aufstand niederzuschlagen, spekulierte man schnell mit Opferzahlen. Tausende, Zehntausende würden es werden, wenn der Diktator sich durchsetzte, auch das Wort Genozid tauchte auf. Das alles diente zur Rechtfertigung der Intervention. Es gibt allerdings so gut wie keine Angaben und keine Spekulationen darüber, wie viele Zivilisten durch die Intervention ums Leben gekommen sind. Wer für das Gute bombt, muss offenbar die Toten nicht zählen. Laut Resolution ist die Nato verpflichtet, an den Generalsekretär der UN über den Fortgang der Kampagne zu berichten. Dazu gehörte auch eine Schätzung der Opferzahlen.
Welchen Pläne hat die Nato?
Es gibt eine kaum verhohlene Skepsis über den Nationalen Übergangsrat, der jetzt in Libyen die Macht erringt. Doch die westlichen Regierungen haben sich entschlossen, diese Sorgen zurückzustellen. Zuerst einmal sollte der Diktator aus dem Weg geräumt werden. Das ist nun so gut wie geschehen. Jetzt würde man gerne wissen, ob die Nato auch Pläne über einen Einsatz von Bodentruppen in der Schublade hat – für den Fall, dass Libyen sich nicht schnell stabilisiert.