Der Befreier von Tripolis ist ein alter Bekannter westlicher Geheimdienste. Abul Hakim Belhaj ist nach den Attentaten vom 11. September 2001 von der CIA in Bangkok festgesetzt worden. Der Dschihad-Kämpfer kam gerade aus Afghanistan, er ist ein ehemaliger Al-Qaida-Mann. Belhaj behauptet, von der CIA gefoltert worden zu sein. Nachdem Libyens Gadhafi im Jahr 2003 im Westen wieder hoffähig geworden war, überstellte die CIA Belhaj in sein Heimatland.
Dort wurde er von Gadhafis Folterknechten ausgepresst. Die Ergebnisse dieser Verhöre wurden an die CIA weitergeleitet. Ausgerechnet dieser Mann ist heute der Militärchef des befreiten Tripolis – ohne die Bomben der Nato wäre er es nicht geworden.
Das ist nur eine der Geschichten, die zeigen, wie eng westliche Staaten mit dem Regime kooperiert haben. Waffenlieferungen, Informationsaustausch, Folterdienste, Finanzierung von Universitäten – Gadhafi war sehr präsent im Westen. Er muss überrascht gewesen sein, als allen voran Frankreich die Resolution 1973 im UN-Sicherheitsrat einbrachte, die einen Einsatz der Nato legitimierte und ihn schließlich zu Fall brachte. Ausgerechnet der französische Präsident, der ihm eben noch einen prächtigen Staatsempfang in Paris bereitete hatte, erklärte ihm den Krieg. Das überstieg selbst die Vorstellungskraft des Machtzynikers Gadhafi.
Er hatte die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Frankreich, das während der tunesischen Revolution lange Zeit am Autokraten Ben Ali festgehalten und sich dadurch blamiert hatte, wollte es besser machen. Freiheit – das war das neue Losungswort. Stabilität – das war gestern. Die arabischen Massen haben diesen Gesinnungswandel in den westlichen Staatskanzleien erzwungen. Das ist ein Glück und es ist ein Fortschritt.
Doch sollte man trotzdem einen Augenblick innehalten und sich fragen: Was denken Männer wie Belhaj über diesen Westen, dessen Geheimdienste ihn gestern noch foltern ließen und dessen Kampfjets ihn dann zum Militärchef von Tripolis bombten? Wir werden es vermutlich nicht erfahren, doch eines ist gewiss: Er wird westlichen Vertretern nicht vertrauen.
Wenn sie Freiheit sagen, dann wird er an den Folterkeller denken, in dem er saß; wenn sie sagen: „Jetzt ist aber alles anders, wir sind geläutert!“, dann wird er an Gadhafi denken, dem sie dasselbe gewiss auch gesagt hatten, als sie ihn nach 2003 wieder in die Arme der internationalen Gemeinschaft schlossen. Wenn sie sagen: „Ihr müsst in Libyen die Menschenrechte einhalten!“, dann er wird die Schreie der Gefolterten hören.
Auch das sind Grundlagen, auf denen die Zusammenarbeit zwischen dem Westen und dem neuen Libyen gedeihen soll.