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Der Libyen-Einsatz sollte Gadhafi stürzen

 

Der Nationale Übergangsrat in Libyen hat jetzt Opferzahlen genannt: 30.000 Tote und 50.000 Verletzte — in knapp sechs Monaten. Man wird die Zahlen schwer überprüfen können, doch sind es die ersten, die von den Rebellen selbst öffentlich gemacht werden. Man sollte diese Zahlen ernst nehmen.

Die Toten sind Opfer des libyschen Bürgerkrieges, gewiss. Doch dieser Bürgerkrieg fand unter kräftiger Beteiligung der Nato statt. Die Nato nennt bis heuten ihren Einsatz „humanitär“, weil er von der Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates legitimiert wird. Diese Resolution erlaubt es der Nato, alle „notwendigen Mittel zum Schutze von Zivilisten“ anzuwenden. Aber was ist „notwendig“? Wer entscheidet das?

Als die Nato ihre Kampfjets schickte, begab sie sich auf den Weg der Eskalation. Zuerst schaltete sie die libysche Luftwaffe aus, dann bombardierte sie „Kommandozentralen“, dann griff sie den Sitz des Diktators Gadhafi an. Kurzum: Sie war von Beginn an die Luftwaffe der Rebellen, also eine Bürgerkriegspartei.

Zur Stunde beteiligt sich die Nato an der Belagerung der letzten beiden Städte, die noch in den Händen von Gadhafi-Anhänger sind, Sirte und Bani Walid. Was hat das mit „Schutz der Zivilisten“ zu tun? Warum bombardiert die Nato Städte, die einem Regime anhängen, das längst schon geschlagen ist?

Das Argument der Nato lautet: Wir haben unseren Auftrag erfüllen wollen, das aber führte zwangsläufig dazu, dass wir den Krieg weiterführen mussten. Die Libyer könnten sich nie sicher fühlen, solange Gadhafi an der Macht war. Nur stellt sich hier dann die grundsätzliche Frage: Kann man überhaupt Zivilisten schützen, ohne die Diktatur zu stürzen, in der die Zivilisten leben?

In Libyen hatte die Nato nach rund zwei Wochen ihr Ziel erreicht. Die Flugverbotszone war durchgesetzt, Gadhafis Flieger konnten den Rebellen nicht mehr wirklich gefährlich werden. Die Nato hätte wachsam bleiben müssen, doch sie hätte sich darauf beschränken können, den Flugraum zu überwachen und Verhandlungen zu fördern. Das tat sie aber nicht. Sie führte den Krieg weiter – bis zum finalen Sieg über Gadhafi.

Nein, man sollte ehrlich sein und das Wort „humanitär“ für den Einsatz der Nato in Libyen streichen. Die Intervention zielte unter Führung der Franzosen von Anfang darauf ab, eine Diktatur zu beenden. Eine Diktatur allerdings, die einige Jahre lang vermeintlich nützliche Dienste geleistet hatte. Zum Beispiel, in dem sie im Auftrag westlicher Geheimdienste mutmaßliche Terroristen folterte.