Pakistan und die USA haben nach den Attentaten vom 11. September ein Zweckbündnis geschlossen. Seitdem sind in diesem Krieg gegen den Terror wahrscheinlich 35.000 Pakistaner ums Leben gekommen. Dieser entsetzliche Preis ist einer der Gründe, warum das Bündnis mit den USA eine Ende finden wird. Man kann dieses Ende sogar datieren. 2014 wird die Nato ihre Soldaten aus Afghanistan abziehen. Pakistan wird dann für den Westen keine so große Rolle mehr spielen.
Die Pakistaner wissen dies, und sie bereiten sich rechtzeitig darauf vor. Sie wissen, dass sie für die USA nie mehr waren als ein Instrument im Krieg gegen den Terror. Sind die westlichen Soldaten einmal aus Afghanistan weg, dann hat Pakistan seine Schuldigkeit getan. Wohin aber wird sich das Land dann wenden?
Pakistan könnte zum Beispiel versuchen, sich ohne Bündnisse zu behaupten. Von seiner Größe her, wäre das durchaus möglich. Immerhin hat das Land 190 Millionen Einwohner und es verfügt über reiche Ressourcen wie die Gasvorkommen in der Provinz Baluchistan. Doch das Problem ist, dass dieser Staat nicht in der Lage ist, seinen Bürgern Sicherheit, Nahrung und eine Perspektive zu geben.
Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Zwischen 40 und 55 Millionen Pakistaner haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser; 40 der insgesamt 70 Millionen Kinder im Schulalter gehen nicht zur Schule; 60 Prozent der Bevölkerung leidet unter Mangelernährung; 630 Kinder täglich sterben an verseuchtem Wasser. Diese Zahlen allein werfen bereits die Frage nach der Zukunftsfähigkeit Pakistans auf. Hinzu kommen der hausgemachte Terror, fanatischer Islamismus und schwere Spannungen zwischen den einzelnen Regionen.
Ein Zerfall Pakistans scheint also durchaus möglich zu sein. Das wäre eine Katastrophe für alle, denn Pakistan ist ein Atomstaat.
Darum ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Staat nach 2014 in irgendeiner Form in ein System integriert wird, das stabilisierend wirkt. Das Antiterrorbündnis hat als stabilisierende Klammer nicht funktioniert, das ist offensichtlich. Es hat die Fliehkräfte Pakistans nur noch verstärkt. Doch neben den USA bieten sich zwei weitere Mächte an, mit denen Pakistan Bündnisse eingehen könnte: China und Indien.
Mit China verbindet Pakistan schon seit den fünfziger Jahren ein Freundschaftsvertrag. Die Wirtschaftsbeziehungen sind eng und sie werden permanent ausgebaut. Doch Chinas Interesse an Pakistan bleibt bisher auf der Basis der Ökonomie beschränkt. Das alleine reicht nicht, um den Staat auf Dauer zu stabilisieren. Denn es braucht eine Möglichkeit, neben der Wirtschaft vor allem die politischen Institutionen zu stärken. Dafür ist China nicht der richtige Partner. Pakistans Gesellschaft ist zu lebendig, zu widerspenstig und ja, zu demokratisch. Das autoritäre Modell kennen die Pakistaner zur Genüge. Sie haben es immer wieder abgeworfen.
Der natürliche Partner für Pakistan wäre Indien. Diese riesige Land hat alles, was Pakistan zu Stabilisierung braucht: Wirtschaftswachstum, rechtsstaatliche Strukturen, eine starke Demokratie. Das Beste wäre, Pakistan in den Orbit des indischen Aufstiegs einzubinden. Das wäre eine Perspektive.
Doch leider trennt beide eine historische Feindschaft. Sie haben vier Kriege gegeneinander geführt. Die Pakistaner müssten jedoch verstehen, dass sie nur mit Indien aufsteigen können. Und die Inder müssten verstehen, dass sie mit einem Nachbarn, der immerzu vor dem Zerfall steht, nicht zur Weltmacht werden können. Pakistan ist ein Bleigewicht an den Füßen Indiens. Ein zerfallendes Pakistans wäre es noch viel mehr. Die Regierungen beider Länder scheinen diese wechselseitige Abhängigkeit langsam zu begreifen. Sie haben unlängst für indische und pakistanische Geschäftsleute die Visabestimmungen stark gelockert. Das ist schon ein erster Schritt, klein aber ermutigend.