Es waren die Anschläge vom 11. September, mit denen Pakistan im Blickfeld einer breiten westlichen Öffentlichkeit auftauchte. Vor dem Beginn des Krieges gegen den Terror war es für die allermeisten Menschen im Westen noch eine terra incognita. In diesen zehn Jahren „Bekanntschaft“ wurde Pakistan zum „gefährlichsten Staat der Erde“ erklärt – ein hoffnungsloser Fall. Am 11. Mai nun wählt Pakistan ein neues Parlament. Wer sich von seinen Vorurteilen nicht lösen will, der sagt: „Na und? Was hat das schon zu bedeuten?“
Tatsächlich wird Pakistan von einem Dreigestirn der Macht beherrscht: Armee, Großgrundbesitzer und Mullahs haben das Land und seine 190 Millionen Menschen fest im Griff. Daran wird sich nichts ändern, vorerst nicht.
Trotzdem ist die bevorstehende Wahl für Pakistan ein historisches Ereignis. Nicht weil sie viel ändern würde, sondern weil sie jetzt stattfindet. Zum ersten Mal in der 65-jährigen Geschichte des Landes hat eine gewählte Regierung ihr fünfjähriges Mandat zu Ende gebracht. Das ist ein Novum. 34 Jahre seiner Geschichte wurde Pakistan von den Militärs beherrscht. Sie putschten ihnen unangenehme Regierungen einfach aus dem Amt.
Wahl unter Raketen und Bomben
Der Effekt dieser komplett absolvierten Amtszeit sollte nicht unterschätzt werden, unabhängig davon, wie gut diese Regierung wirklich war. Demokratie nämlich braucht Zeit, viel Zeit um Wurzeln zu schlagen. Menschen müssen über längere Zeit die Erfahrung machen, dass ihre Stimme zählt und respektiert wird. Die Pakistaner müssen erfahren, dass ihr in der Wahlkabine geäußerter Wille nicht jederzeit von Generälen für ungültig erklärt werden kann. Das macht sie langsam zu Bürgern. Das gibt ihnen Vertrauen und Selbstbewusstsein.
Es sollte auch nicht vergessen werden, dass die vergangenen Jahre zu den schwersten in der Geschichte Pakistans gehören. Um nur ein Beispiel zu nennen: Seit 2001 sind in Pakistan über 35.000 Menschen im Krieg gegen den Terror ums Leben gekommen; so gut wie täglich feuern Drohnen Raketen auf Pakistan ab. Könnte man sich vorstellen, dass in Deutschland eine Wahl stattfindet, während Zehntausende Menschen dem Terror zum Opfer fallen und das Staatsgebiet mit Raketen einer ausländischen Macht beschossen wird?
Deutschland ist nicht Pakistan. Doch der Vergleich macht deutlich, unter welch immensen Belastungen und Herausforderungen die Pakistaner stehen. Und trotzdem findet eine Wahl statt, trotzdem gehen Millionen in die Wahlbüros. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Pakistaner an die Zukunft ihres Landes glauben, im Unterschied zu den Kritikern im Westen. Sie glauben auch, dass sie durch ihre Stimme ihr Leben verbessern können. Das ist eine gute Nachricht, die leider allzu oft untergeht.