Der Durchbruch in den Atomgesprächen mit dem Iran, er wird den Nahen und Mittleren Osten verändern. Denn der Iran könnte nun wieder zur international akzeptierten Ordnungsmacht in der Region aufsteigen – eine Macht, die er schon einmal war.
Bis 1979 war das Land eine bestimmende Größe im Nahen und Mittleren Osten, mit dem Segen der USA. Die iranische Revolution setzte dem ein Ende. Seitdem war der Iran politisch vom Westen isoliert. Durch den Streit um das iranische Atomprogramm wurde aus Isolation Ächtung. Heute ist der Iran mit harten Wirtschaftssanktionen der Vereinten Nationen belegt.
Das Regime in Teheran selbst hat den Anspruch, die bestimmende Macht der Region zu sein, niemals aufgegeben. Doch es war eine Rolle, die seit 1979 niemand akzeptieren wollte. Der Iran war ein Paria.
Das aber ist jetzt möglicherweise vorbei. Das Abkommen, das der Iran mit der 5+1-Gruppe (USA, Russland, China, Frankreich, England, Deutschland) geschlossen hat, beendet die Isolation. Die Atomfrage ist zwar noch nicht gelöst, es sind noch viele Streitpunkte ungeklärt. Auch ein Scheitern ist möglich. Doch es ist das erste Abkommen, auf das man sich unter amerikanischer Beteiligung in 35 Jahren mit dem Iran geeinigt hat.
Wenn der Iran nun wieder auf die große Bühne tritt, dann wird das Land andere von dort verdrängen. Allen voran Saudi-Arabien.
In den vergangenen Wochen haben die Saudis mehrmals deutlich gemacht, wie unzufrieden sie mit der Politik der Annäherung gegenüber Teheran sind. Nun haben sie in der Region sehr großen Einfluss, schon durch die vielen Milliarden, die sie freizügig verteilen.
Zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien herrscht seit Jahrzehnten ein Kalter Krieg. In Syrien ist dieser Kalte Krieg zu einem heißen geworden. Dort bekämpfen sich beide Seiten gnadenlos. Und jetzt müssen die Saudis frustriert mitansehen, wie ihr Todfeind eine internationale Aufwertung erfährt. Wie werden sie nun angesichts der neuen Lage ihre Macht einsetzen? Das ist nach dem Abkommen mit dem Iran eine der entscheidenden Fragen.
Der Einfluss des saudischen Königshauses dürfte in Washington jedenfalls gesunken sein. Das hat gute Gründe. Die USA haben in der Region drei strategische Interessen: Ölversorgung, Eindämmung Irans, Sicherheit Israels. Um diese Interessen wahrzunehmen, war Saudi-Arabien wichtig.
Doch die Ölversorgung verliert an Bedeutung, seit die USA zum größten Erdölproduzenten der Welt geworden sind. Die Eindämmung Irans wäre nach einem erfolgreichen, stabilen Abkommen über die Nuklearfrage nicht mehr notwendig, auch das relativiert die Macht des saudischen Königshauses. Nur für die Sicherheit Israels ist Saudi-Arabien nach wie vor von Bedeutung. Aber das reicht nicht, um seine Rolle als privilegierter Partner weiter aufrechtzuerhalten.
Wir erleben also derzeit einen relativen Abstieg Saudi-Arabiens. Der Nahe und Mittlere Osten indes wird dadurch nicht ruhiger. Im Gegenteil: Das Atomabkommen und seine Folgen dürften zu heftigen Erschütterungen in der Region führen.