Die moderne Kommunikation beschleunigt alles, auch die Angst. Mit ungeheurer Geschwindigkeit rauscht sie über den Globus. Egal welche Ursache sie hat, von welchem Ort sie ausgeht – die Angst wird binnen kürzester Zeit allgegenwärtig. Wir spüren sie. Selbst dann, wenn wir weit entfernt sind von der Gefahrenquelle.
Das ist eine mögliche Erklärung für das, was den westafrikanischen Staaten in diesen Tagen und Wochen widerfährt. Sie geraten nach und nach in eine de facto Quarantäne. Der Grund ist die dort ausgebrochene Ebola-Epidemie. Rund 3.500 Menschen sind nach offiziellen Angaben mit dem Virus infiziert, schon 1.900 sind gestorben. Die bisher betroffenen Staaten sind Guinea, Liberia, Sierra Leone, Nigeria und Senegal. Es ist der bis dato schlimmste Ausbruch von Ebola sei dem dieses tödliche Virus im Urwald des Kongo 1976 entdeckt worden ist.
Aber die Reaktion steht in keinem Verhältnis zum Anlass.
Monrovia, die Hauptstadt Liberias, und Freetown, die Hauptstadt Sierra Leonies, werden mit zwei Ausnahmen (Royal Air Maroc und Brussels Airlines) von keiner Fluglinie mehr angeflogen. Es gebe – so heißt es – nicht genügend Nachfrage. Eine Reihe von Staaten habe die Grenzen für Westafrikaner dichtgemacht, darunter auch Südafrika. Die Hilfsorganisationen klagen darüber, dass sie ihre Arbeit nicht mehr machen können, weil es kaum noch Transportmöglichkeiten gibt. Bauern gehen nicht mehr auf ihre Felder, die Ernte verkommt. In Sierra Leone und Liberia ist jetzt schon eine dramatischer Einbruch der Wirtschaftsleistung zu verzeichnen. Der Tourismus kommt zum Erliegen.
Ebola hat bisher weit weniger Schaden angerichtet, als die Angst vor dem Virus. Und dabei ist klar, dass die Abschottung kontraproduktiv ist. Deborah Almac, US-Botschafterin in Liberia, warnt vergangene Woche deutlich davor Grenzen zu schließen: „Das bringt nichts!“
Jede Krankheit, jedes Virus, die die Menschen (noch) nicht heilen oder dauerhaft beherrschen können, wird zu einer Projektionsfläche unserer Phantasien. So war es im 19. Jahrhundert im Fall der Tuberkulose, so war es im 20. Jahrhundert bei HIV. Die meist furchterregenden Vorstellungen, die wir mit diesen „unbeherrschbaren“ Krankheit verbinden, drängen die Betroffenen in die soziale Isolation. Das galt lange für Tuberkulosepatienten, und das galt im 20. Jahrhundert für HIV-Infizierte (und oft gilt es für sie noch heute).
Bei Ebola ist dasselbe Muster zu erkennen, doch diesmal sind ganze Staaten und Gesellschaften betroffen und nicht Individuen oder soziale Gruppen. Das ist neu.
Dieser massive „Ausschluss“ Westafrikas hat gewiss etwas mit der beschleunigten, rasenden, allgegenwärtigen Angst unserer Zeit zu tun. Doch es sind auch historische Muster erkennbar – Afrika als ewiger Ort geheimnisvoller, tödlicher Krankheiten, das war ein klassischer Topos des Europäischen Kolonialismus. Dieses Konstrukt diente als Rechtfertigung für Unterwerfung und gleichzeitig die Trennung Afrikas von der angeblich gesunden weißen „Zivilisation“.
In den hysterischen Reaktionen auf Ebola lassen sich Spurenelemente dieser Geschichte erkennen.