Wenn es am Persischen Golf unerträglich heiß wird, bekommen die Fiaker von Ilidža viel zu tun, dann landen Flugzeuge aus der Golfregion in Sarajevo und bringen urlaubende arabische Familien in diesen Vorort der bosnischen Hauptstadt, die sich in den schattigen Parks Ilidžas von der Hitze in ihrer Heimat erholen wollen.
Die Fiaker kutschieren dieser Tage tief verschleierte Frauen samt Kindern die drei Kilometer lange prächtige Allee entlang, zur Quelle des Flusses Bosna, die wie ein Wasserfall aus dem Fuß des Berges Igman schießt. Im Park Vrelo Bosna spazieren die arabischen Familien über malerische hölzerne Brücken. Sie kommen vorbei an grün schimmernden Teichen, atmen die prickelnde Luft ein, lassen sich auf Bänken nieder, um das viele Grün zu bestaunen und genießen, das sie umgibt und das sie aus ihrer Heimat so nicht kennen. Der Park Vrelo Bosna ist ein kleines Paradies.
Während des Bosnien-Krieges haben die Menschen viele Bäume in dem Park gefällt, um mit dem Holz ihre Häuser und Wohnungen zu heizen. Ilidža war von 1992 bis 1995 von den Serben besetzt, die muslimische und kroatische Bevölkerung war bei Kriegsbeginn vertrieben worden.
Ilidža ist ein strategisch wichtiger Ort, weil er an den Flughafen der Hauptstadt grenzt und man von hier aus auch die Straße nach Mostar und weiter zur Küste kontrollieren kann. Ilidža war eine entscheidende Bastion für die Belagerung Sarajevos.
Nach dem Friedensschluss von Dayton 1995 verließen Tausende Serben den Vorort, Muslime und Kroaten kehrten zurück.
Was früher einmal für die Belagerung wichtig war, die Nähe zum Flughafen, ist heute für die Touristenunternehmen wie Gulftravel von großem Vorteil, die in Ilidža eine Niederlassung haben. In wenigen Minuten erreichen die Urlauber vom Golf ihre Unterkunft, dann mit der Kutsche durch die Allee, den Park, zur Quelle der Bosna. Und in knapp 20 Minuten ist die Altstadt von Sarajevo zu erreichen, wo es vieles zu bewundern und vieles zu kaufen gibt. Was will man mehr?
Die Nachfrage aus der Golfregion ist offenbar groß. In Ilidža bewerben eine ganze Reihe von Restaurants ihre fleischreichen Gerichte in arabischer Schrift, auf Appartements und Hotels prangen ebenfalls arabische Schriftzeichen. Auf einem großen Schild ist der Plan einer großen Ferienanlage angekündigt, Dutzende neuere Ferienwohnungen und Häuser sollen in Vogošća, einen anderen Vorort von Sarajevo, entstehen, der in den Hügeln liegt und ebenfalls viel Erholung verspricht.
Die Ferienanlage ist in Sarajevo Gegenstand besorgter Gespräche.
In bosnischen Hauptstadt kommen Gerüchte schnell in Umlauf, verbreiten sich in allen Winkeln und Gassen, verschwinden, tauchen plötzlich wieder auf, nur um den bösen Samen des Verdachts mit erneutem Schwung zu streuen.
Was machen die Araber in Vogošća?
Wollen sie unser Land aufkaufen?
Haben sie noch andere Pläne?
Wollen sie etwa unsere Form der Glaubensausübung ändern?
Und wer steckt eigentlich dahinter?
Viele Fragen, die besonders die Muslime Sarajevos umtreibt. Antworten können sie nicht finden. Doch macht sich ein Gefühl des Unbehagens unter ihnen breit.
Sie fühlen sich von mehreren Seiten unter Druck gesetzt. Da sind einmal die saudischen Wahhabiten, die ihnen unterstellen, das sie ihren Glauben strikter leben müssten. Bosnische Frauen, die ihren Glauben durchaus praktizieren, berichten davon, dass sie von anderen, meist unbekannten Frauen angesprochen und gedrängt würden, sich noch stärker zu verschleiern. Und da sind auf der anderen Seite viele Europäer, welche die bosnischen Muslime immer noch nicht als Europäer betrachten wollen und jetzt in Zeiten des Terrors alles, was muslimisch ist, mit Misstrauen betrachten.
Oder, wie es eine Muslimin aus Sarajevo ausdrückt: „Ich muss heute schon Alkohol trinken und Schweinefleisch essen, damit man mir glaubt, ich sei kein gefährlicher Muslim!“