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Investieren Sie ihr Geld in Mostar und sie werden reich!

 

Brücke Mostar
Die Brücke von Mostar @Ulrich Ladurner


Bosnien-Herzegowina ist ein kleines Land, das dringend Geld braucht, für Straßen, für Brücken, für Fabriken, für Stromleitungen, für Staudämme, für Schulen, für Universitäten, für Krankenhäuser, für gierige Politiker, eigentlich für fast alles. Investoren werden dringend gesucht, aber wer will schon in einem Land investieren, das einen so schlechten Ruf hat? 150 Minister für ungefähr 4 Millionen Einwohner?! Bitte, wenn Sie Ihr Geld schon verbraten wollen, dann doch lieber woanders! In Las Vegas etwa haben Sie gewiss mehr Spaß als zum Beispiel in Mostar, wo es immer noch völlig zerschossene Häuser zu besichtigen gibt, sichtbare Spuren eines Krieges, der vor zwanzig Jahren zu Ende ging – und ansonsten ist herzlich wenig zu sehen, außer der weltberühmten Brücke über die Neretva; aber zu ihr kommen wir noch.

„Was über Bosnien-Herzegowina gesagt wird, das ist alles Blödsinn! Üble Nachrede!“, sagt ein Mann, von dem wir glauben wollen, dass er tatsächlich Emir heißt. So stellt er sich nämlich vor. Es kann aber auch sein, dass dies nicht sein richtiger Name ist. Denn alles an ihm ist unglaublich, das, was er erzählt, was er behauptet, wozu er einlädt.

Wobei, es könnte auch sein, dass er die Wahrheit sagt. Wenn das der Fall ist, dann verpassen Sie, liebe Leser, eine Chance reich zu werden!

Aber beginnen wir von vorne.

Mostar an einem sehr heißen Julinachmittag. Das Ziel ist das Wahrzeichen der Stadt: die berühmte Brücke, die sich in einem kühnen Bogen über die türkisfarbenen Wasser der Neretva spannt.

Emir schlurft in Badelatschen und kurzen Hosen über die Straße, auf dem Kopf eine Baseballmütze, auf der Nase eine fette, schwarze Sonnenbrille. Er wirkt sehr entspannt, wie einer, der gerade vom Strand kommt.

„Sehen Sie mich an, ich bin fünfzig!“

Emir sieht in der Tat gut aus für sein Alter, schlank, eine paar graue Haare an den Schläfen, das steht ihm aber gut, den Rest des Kopfhaares sieht man wegen der Baseballmütze nicht. Das Gesicht ist faltenlos, glatt und frisch. Der Körper ist drahtig wie der eines Yogameisters.

„Fünfzig Jahre – und ich habe ausgesorgt!“

„Wie das?“

„Ich habe investiert, ich habe hier in Mostar ein paar Häuser und Wohnungen gekauft, gleich da vorne! Spottbillig, wollte ja keiner glauben an diese Stadt!“

Es ist nicht mehr weit zur Brücke.

„Gut für Sie!“

„Ja, sehen Sie, ich muss nicht mehr arbeiten. Ich lebe von den Mieten, die ich einnehme.“

Seine Badelatschen streifen mit provozierender Lässigkeit über den Asphalt. Die Straße fällt etwas ab, zum Ufer hin, wo die Brücke ist. Es wird enger, die Häuser rücken näher zusammen, es sind mehr Touristen zu sehen, die ersten Souvenirgeschäfte tauchen auf.

„Sie haben einen amerikanischen Akzent…“

„Zwanzig Jahre war ich in Chicago“, sagt Emir, „nach dem Ende des Krieges 1995 bin ich abgehauen!“

Er bleibt kurz stehen, die Badelatschen schweigen.

„Mann, ich habe alles gesehen, die Toten, die Schreie der Verwundeten, die Explosionen, den ganzen Sch…, Mann, alles habe ich gesehen! Bei der ersten Gelegenheit bin ich abgehauen!“

Die Badelatschen schlurfen wieder. Emir flaniert weiter der Brücke entgegen.

In Mostar tobte ein Krieg zwischen Bosniaken und Kroaten, ein Krieg im Krieg des Bosnienkrieges. Eigentlich waren die Kroaten und Bosniaken Verbündete im Kampf gegen die Serben, aber in Mostar war das eben anders. Da bekämpften sie sich so lange, bis die halbe Stadt in Schutt und Asche lag. Die Kroaten waren auf der Westseite, die Bosniaken auf der Ostseite der Stadt. Wobei die Bosniaken unmittelbar an der Brücke auch einen kleinen Teil der westlichen Altstadt kontrollierten. Die Kroaten konnten das nicht dulden. Sie schnitten die Bosniaken von ihrem Nachschub ab, in dem sie die Brücke zerschossen. Es brauchte einen ganzen Tag schweres Artilleriefeuer, bis dieses vielfach bestaunte Bauwerk aus dem 16. Jahrhundert zusammenbrach und, in Stücke gerissen, ins Wasser fiel.

„Sehen Sie“, sagt Emir und bleibt stehen, „das Haus hier!“

Er zeigt auf ein verlassenes Gebäude, an dem immer noch Einschusslöcher zu sehen sind.

„Das Haus steht hier und wartet nur darauf, dass es gekauft wird. Schauen Sie genau hin, das ist kein Haus, das ist ein Anwesen. Sie müssen es nur sehen wollen!“

Dann schlappt er weiter, eine enge Gasse hinunter, an der links und rechts Souvenirläden, Restaurants und andere Touristenfallen stehen.

„Was haben Sie in Amerika denn gemacht?“

„Was man halt in Amerika macht, dies und das und vor allem Geld!“, da lachte er laut und streckt seine Hand zum Abschied aus.

„Also, ich muss jetzt in meinen Häusern nach dem Rechten sehen, bye! Und ja, das Haus, denken Sie daran, das wartet. Ist spottbillig, aber nicht mehr lange!“

Dann lacht er wieder und schlurft davon.

Schließlich die Brücke. Sie ist mit viel Mühe und viel Geld wiederaufgebaut worden. Es soll DAS wiedererrichtete Symbol für das friedliche Zusammenleben von Bosniaken, Kroaten und Serben sein.

Eine Touristenherde zwängt sich auf die Brücke. Am Brückenrand stehen die ebenfalls sehr berühmten Brückenspringer Mostars. Sie stellen ihre braungebrannten Körper zur Schau und warten bis jemand zahlt: 25 Euro für einen Sprung, 20 Meter tief in das 8 Grad kalte Wasser der Neretva.

Es findet sich aber im Augenblick keiner, der zahlen will, alle wollen nur die schlanken Körper der Brückenspringer fotografieren. Araber, Japaner, Chinesen, Europäer, Amerikaner zücken ihre Kameras. Schauen und Fotografieren kostet nichts. Noch.

In einem Laden, auf der Ostseite der Brücke, sind sie schon weiter. Hier werden Bücher verkauft, Souvenirs, Postkarten, und auf einem riesigen Bildschirm, den man nicht übersehen kann, läuft ein Video, das zeigt, wie die Brücke im Jahr 1993 beschossen wird, bis sie einstürzt. Es ist ein grausames Schauspiel.

„Wenn Sie das hier sehen wollen, dann kostet das einen Euro!“, sagt die Verkäuferin.

„Aber das ist doch kein Kino?“

„Nein, aber es kostet einen Euro, wenn Sie sehen wollen, wie die Brücke einstürzt.“

P.S. Es wird von vielen Seiten glaubwürdig berichtet, dass die Bewohner Mostars immer noch strikt getrennt leben. Die im Osten gehen nicht in den Westen, die in im Westen gehen nicht in den Osten. Die alte Brücke brauchen sie also eigentlich nicht, außer als Einkommensquelle.