In Belgrad geht seit einigen Tagen das Gerücht um, dass serbische Polizisten freundlich seien. Man hört es in Cafés, in Privatwohnungen und auch auf der Straße.
Die Belgrader glauben es gerne, aber sie nehmen es mit einem gewissen Erstaunen zur Kenntnis, denn es ist nicht so, dass die serbischen Polizisten einen guten Ruf genießen.
„Freundlich, tatsächlich?“
„Ja, tatsächlich, unsere Polizisten sind sehr hilfsbereite Beamte!“
Das Gerücht nahm in den Parks am Belgrader Bahnhof seinen Ausgang. Dort haben Hunderte Migranten ihre Zelte aufgeschlagen, Frauen, Kinder und sehr viele junge Männer. Sie kommen aus Syrien, aus Afghanistan, aus Pakistan und dem Irak. Sie warten hier, bis sie in einen Bus oder einen Zug steigen können, der sie an die ungarische Grenze bringt. Budapest ist ihr nächstes Etappenziel, danach soll es nach Deutschland gehen.
Die Belgrader Stadtverwaltung hat in den Parks Dixi-Klos aufgestellt, sie lässt Tankwagen mit Wasser auffahren, damit sich die Migranten waschen und mit Trinkwasser versorgen können. Ein Team von Ärzten und Krankenschwestern bietet tagsüber gesundheitliche Grundversorgung an. Atemwegserkrankungen, sagt ein Arzt, kommen am häufigsten vor, und viele hätten einen viel zu hohen Blutdruck.
Im Kulturzentrum Mikser, wenige Schritte vom Bahnhof entfernt, verteilen Helfer Nahrungsmittel und Kleider, die von Unternehmen und Bürgern gespendet wurden.
„Wir wissen ja aus eigener Erfahrung, was es heißt, auf der Flucht zu sein!“, sagt eine junge Serbin. Die Kriege im ehemaligen Jugoslawien liegen schließlich solange noch nicht zurück.
Und inmitten dieser allgemeinen Hilfsbereitschaft entstand das besagte Gerücht über die angeblich freundlichen serbischen Polizisten.
Vermutlich war es eine junger Syrer, der es als Erstes ausgesprochen hat, dann wurde es von einem jungen Afghanen und danach von einem Iraker bestätigt. So gewann das Gerücht an Glaubwürdigkeit und breitete sich von der Bahnhofsgegend in der ganzen Stadt aus.
„Wie Menschen“, sagte der Syrer, „sie behandeln uns wie Menschen!“
Dann berichtet er von seinen schlechten Erfahrungen, die er mit Uniformierten bei sich zu Hause in Syrien gemacht hat. Afghanen und Iraker erzählen ähnliche Geschichten aus ihren Heimatländern. Es entsteht ein Furcht einflößendes Bild, vor dessen Hintergrund die schlecht beleumdeten serbischen Polizisten plötzlich wie Lichtgestalten erscheinen. Sie mussten sich gar nicht bessern, sie mussten sich nur von diesem grausamen Panorama anderer Länder abheben.
„Und das Beste“, sagte der junge Syrer, „das Beste an ihnen ist, dass sie uns über die Grenze lassen!“