Der Bahnhofspark des serbischen Subotica wird von riesigen Platanen beschattet, eine Labsal dieser Tage, denn das Thermometer zeigt tagsüber bis zu 40 Grad. In der angenehmen Kühle sind nicht viele Menschen zu sehen: Eine Frau sitzt allein auf einer Bank, ein Pärchen auf einer anderen, und auf dem Gras, nahe am Stamm eines Baumriesen, haben sich rund 20 Menschen niedergelassen. Es sind drei Familien aus Afghanistan. Keines der Kinder ist älter als zehn.
„Wir kommen aus Masar-i-Scharif!“, sagt einer der Väter.
Masar-i-Scharif, das ist eine Stadt im Norden Afghanistans, die eine enge Verbindung zu Deutschland hat. In Masar-i-Scharif hatte die Bundeswehr jahrelang ihr Hauptquartier, und jahrelang galt der Norden Afghanistans als sicher und befriedet. Deutschland war stolz darauf. Während im Süden Afghanistans, im Operationsgebiet der US-Amerikaner und Briten, die Kämpfe auch nach dem Fall der Taliban im Jahr 2001 niemals aufhörten, blieb es im Norden zeitweise ruhig. Das verbuchte man in Berlin als Erfolg der eigenen, zurückhaltenden Politik in Afghanistan. Doch das war eine Chimäre. Es gibt heute wieder Kämpfe im Norden, die Taliban sind wieder da.
„Warum sind Sie geflüchtet?“
„Daesh“, sagt der junge Vater und meint damit den „Islamischen Staat“, der sie vertrieben habe.
Nachrichten, dass der IS in Afghanistan aktiv ist, gibt es zwar, doch bislang sind es eher Gerüchte.
„Daesh? Sind Sie sicher? Daesh in Masar-i-Scharif? Das glaube ich Ihnen nicht.“
Der junge Vater zögert, dann sagt er: „Taliban, es sind die Taliban…“
In diesem Moment taucht ein Polizist auf, ein kräftiger Mann in seinen Vierzigern. Er fragt, was Polizisten eben fragen müssen: „Was machen Sie hier? Wo kommen Sie her? Warum reden Sie mit diesen Menschen?“
Ungarn ist von Subotica nur wenige Kilometer entfernt, hier in der Gegend gibt es Hunderte Flüchtlinge, die über die Grenze wollen und jemanden suchen, der sie hinüberbringt, einen Schlepper.
Es ist nicht einfach, den Polizisten zu überzeugen, dass das Gespräch mit den Flüchtlingen harmlos ist, dass nichts Illegales verhandelt wird.
„Wissen Sie“, sagt der Polizist, „ich bin schon sehr lange im Dienst. Ich traue niemandem!“
Dann bittet er die Afghanen, ihre herumtollenden Kinder nicht auf die Straße laufen zu lassen, damit sie kein Auto überfahre.
„Vorsicht mit den Kindern!“, ruft der Polizist auf Serbisch, „Vorsicht!“, und hebt mahnend den Finger.
Die afghanischen Väter und Mütter lächeln verlegen, fangen die Kinder ein und halten sie fest.
Der Polizist tippt sich an die Schirmmütze und verabschiedet sich.
Ob man sich verstanden hat, bleibt unklar.