Manchmal treffen unverbundene gleichzeitig Ereignisse aufeinander und machen für einen Moment den Blick in die Zukunft frei. So geschah es am Anfang dieser Woche.
In Brüssel war der türkische Präsident Tayyip Erdoğan zu Gast. Er wurde aufs Freundlichste hofiert, wobei er gestern noch in Europa aus guten Gründen heftig kritisiert wurde. Allzu machtbesessen ist der Mann, allzu schnell brach er jüngst einen Krieg gegen die Kurden vom Zaun, allzu undurchsichtig ist sein Verhältnis zum „Islamischen Staat“, allzu sehr tritt er die Menschenrechte mit Füßen.
Die Ursache für Erdoğans plötzliche „Popularität“ in Brüssel liegt in dem drohenden, weiteren Zerfall des gesamten Nahen Ostens. Erdoğan soll Europa nämlich helfen, die Flüchtlingskrise zu bewältigen. Libyen, Syrien, Irak – in Europas Nachbarschaft ist ein riesiger Trümmerhaufen zu besichtigen. Einer wie Erdoğan scheint da gerade recht zu kommen.
An dem Montag von Erdoğans Besuch in Brüssel einigten sich zwölf Pazifik-Anrainerstaaten auf das Freihandelsabkommen TPP (Trans Pacific Partnership). Dabei sind unter anderem die USA, Mexiko, Chile, Peru, Japan, Neuseeland, Australien und Vietnam. TPP schafft die größte Freihandelszone der Welt. TPP umfasst 40 Prozent der gesamten Weltwirtschaft. Die Einigung ist ein großer Erfolg für Barack Obama. TPP ist ein Teil seiner Politik, die er Pivot to Asia nennt. Mit anderen Worten: Seit Amtsantritt will er das Schwergewicht seiner Außenpolitik nach Asien verlegen. Weg vom Nahen Osten, und dorthin, wo die Wirtschaft am schnellsten wächst und wo mit China eine veritabler Konkurrent herangewachsen ist.
Erdoğan in Brüssel, die Einigung auf TPP – welche Zukunft können wir in diesen beiden Ereignissen sehen?
Wir sehen ein Europa, dessen auf absehbare Zeit von den Problemen des Nahen Ostens belastet werden. Erdoğan ist das Symbol dafür. Der Mann mag ja für vieles stehen, aber für Zukunft steht er nicht.
Wir sehen eine USA, die eben diesen zerfallenden Nahen Osten hinter sich lassen und sich mit Erfolg nach Asien wenden.
Während Europa also tiefer und tiefer in eine Region hineingezogen wird, die im Krieg versinkt, verbinden sich die USA eng mit einer Region, die voller Zukunftsversprechen ist. Hier Zerfall, dort das Wachstum.
Es kann bitter werden für Europa.