Das serbische Menschenrechtszentrum betreibt wenige Schritte vom Belgrader Bahnhof entfernt ein Büro. Flüchtlinge und Migranten erhalten hier Informationen über Schlafplätze, Essenausgaben, Transportmöglichkeiten und über andere Dinge, die ihnen helfen können. Vier Computer mit Internetverbindung stehen zur Verfügung. Meist bildet sich davor eine dichte Menschentraube. Die Migranten und Flüchtlinge werden hier unter anderem darüber aufgeklärt, dass sie in Serbien Asyl beantragen können. Das wollen aber die wenigsten. Deutschland bleibt das Ziel, auch wenn sich hier langsam herumspricht, dass es nicht mehr so einfach ist, dorthin zu kommen wie noch im vergangenen Sommer. Viele von ihnen sind hier stecken geblieben. Marokkaner und Algerier in erster Linie, aber es sind auch Pakistaner darunter und der eine oder andere Afghane, der nicht weiterkommt. Einige von ihnen haben schon versucht, nach Kroatien zu gelangen, sind aber gescheitert. Andere sind gerade erst in Belgrad angekommen und saugen begierig jede Information auf.
Wie kommen wir weiter? Welchen Weg müssen wir gehen? Worauf müssen wir achten?
In diesen Tagen kursiert hier zum Beispiel die Nachricht, dass immer mehr Flüchtlinge über Ungarn nach Nordeuropa gehen. Das ist im ersten Moment schwer zu glauben. Immerhin brüstet sich Ungarns Premierminister Viktor Orbán damit, dass er die Grenze seines Landes geschlossen und damit die Massenwanderung durch sein Land gestoppt habe. Orbán empfiehlt seine harte Politik den anderen europäischen Staaten als Modell. Doch wenn es stimmt, was man hier im Büro des serbischen Menschenrechtszentrum hört, dann ist das mit der geschlossenen ungarischen Grenze nicht so weit her. Viele seien es noch nicht, die es versuchen, aber doch einige – und zwar in der berechtigten Hoffnung, durchzukommen. Wenn sie einmal durch den Zaun sind, das wird berichtet, könnten sie es bis Österreich schaffen.
In Ungarn wird der illegale Grenzübertritt seit dem Sommer mit einer Gefängnisstrafe belegt. Doch so bedrohlich das auch klingt, es muss erst einmal durchgesetzt werden. Dazu braucht es viele Polizisten, viele Gefängniszellen, viele Ressourcen. Es braucht dazu einen starken Staat, das aber scheint Ungarn nicht zu sein. Orbán pflegt zwar eine autoritäre Sprache, doch das sagt über die reale Kraft Ungarns wenig aus.
Zu den Gestrandeten in Belgrad gehört auch die 61-jährige Halima Hussein. Sie ist Kurdin und stammt aus Dohuk, im Norden Iraks. Sie ist vor einigen Wochen gemeinsam mit ihrem Mann, Yussuf, aufgebrochen. Jetzt liegt Yussuf auf der Intensivstation eines Belgrader Krankenhauses. Er ist ins Koma gefallen.
Das Ehepaar hat Dohuk verlassen, weil Yussuf eine neue Leber braucht. Und wir haben gehört, dass er in Deutschland eine neue Leber bekommen wird“, erzählt Halima.
Sie will nicht glauben, dass es nicht so einfach sei, eine Leber zu bekommen, auch für Deutsche nicht. Sie will das gar nicht hören. Sobald ihr Mann aus dem Krankenhaus entlassen sein wird, und sie hat keinen Zweifel daran, dass das so sein wird, werden sie sich wieder nach Deutschland aufmachen.
„Die Deutschen“, sagt Halima unbeirrt, „werden uns helfen!“