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Es ist nicht allein Europas Verantwortung

 

400 Menschen sind im Mittelmeer ertrunken. Sie kamen ursprünglich aus Somalia und wollten nach Italien. Ihr Boot kenterte, kaum einer konnte gerettet werden. Das ist eine neue Tragödie – sie ist nicht die erste dieser Art, und sie wird nicht die letzte sein. In Libyen warten angeblich Hunderttausende darauf, überzusetzen.

Immer dann, wenn Menschen an Europas Grenzen massenhaft ums Leben kommen, ist die Rede von der moralischen Verantwortung Europas, vom Versagen, von der Schande und der Scham. Aber wenn das alles gesagt ist, stellt sich doch die Frage: Wie findet man von der Empörung zu guter Politik zurück?

Gute Politik übernimmt Verantwortung, ohne zu versprechen, was sie nicht halten kann. Sie leistet das Maximum von dem, was sie leisten kann.

Europa kann nicht versprechen, dass morgen keine Menschen mehr in großer Zahl im Mittelmeer ertrinken. Dass das Sterben aufhören wird, das liegt nicht allein in Europas Hand. Es liegt auch an den Schleppern und an den Umständen, aus denen die Menschen fliehen. Doch dass die Zahl der Toten geringer wird, dass liegt im Bereich des Möglichen.

Was kann Europa also tun?

Als Erstes muss man Italiens Küsten als Europas Küsten begreifen. Es ist die Aufgabe und Pflicht aller Mitglieder der EU, diese Grenzen sichern zu helfen. Die Zeiten, als ein deutscher Innenminister süffisant sagen konnte: „Lampedusa ist eine Insel in Italien!“, die müssen endgültig der Vergangenheit angehören. Wenn Italiens Premierminister Matteo Renzi in Brüssel Vorschläge unterbreitet, wie er es vor wenigen Tagen getan hat, dann muss man ihn ernst nehmen und mit ihm kooperieren – unter allen Umständen.

Europa muss mit vereinten Kräften versuchen, Libyen zu stabilisieren. Es gibt inzwischen in Tripolis eine nationale Einheitsregierung. Auch wenn sie noch auf sehr wackeligen Beinen steht, es ist ein Anfang. Mit einem stabilen Libyen wird Europa ein Abkommen treffen können, wie es mit der Türkei getroffen wurde. Das wäre nicht perfekt, aber es ist das, was man erreichen könnte.

Drittens muss man den Kampf gegen die Schlepper verstärken. Auch da geschieht schon einiges. Und es ist beileibe kein aussichtsloser Kampf, wie oft suggeriert wird.

Gewiss, niemand sollte sein Leben riskieren müssen, um nach Europa zu kommen. Das bleibt das Ziel.

Doch Europa allein kann es nicht erreichen.