„Was? Du gehst nach Brüssel?“, das fragten mich Kollegen mit Erstaunen als sie von meiner neuen Aufgabe hörten. Sie sehen mich offenbar nicht so recht in einem Büro der ZEIT im Brüsseler Europaviertel sitzen, in Rufweite Tausender Beamten. Aber die Frage hat einen konkreten Hintergrund.
Ich habe mich von 1991 bis heute meist „da draußen“ herumgetrieben, in schwierigen Berichtsgebieten, Bosnien, Kosovo, Afghanistan, Pakistan, Iran, Irak, Libyen, Mali und anderen Staaten, in denen der Westen in der einen oder anderen Weise intervenierte.
Im Journalistenjargon heißt es, solche Leute hätten „Staub an den Stiefeln“, sie hätten sich zu lange „im Busch“ herumgetrieben und seien darüber „verbuscht“. Das ist ein anderes Wort für: eigenwillig bis renitent, nicht teamfähig, kaum integrierbar. Das also behaupten Journalisten über Journalisten mit Berufsbiografien wie der meinen.
„Na, dann mach’s gut!“, sagten meine Kollegen zum Abschied. Ich glaubte, Mitgefühl in ihren Stimmen zu hören. Im Bermudadreieck zwischen Kommission, Europäischem Rat und Parlament würde ich ganz unspektakulär auf Grund laufen, fürchteten sie wohl. Mehltau würde sich zuerst über meine Artikel legen und schließlich würde alles pralle Leben aus ihnen verschwinden – ein ebenso unvermeidliches wie unromantisches Schicksal.
Die Befürchtungen meiner Kollegen in Ehren – die Welt hat sich dramatisch verändert. Ob Brexit, Massenmigration oder Attentate, Brüssel ist jetzt mittendrin. Brüssel ist ein zentraler Kampfplatz. Hier wird sich demnächst entscheiden, ob es eine humane Globalisierung geben wird oder ob alles Erreichte rückabgewickelt wird und wir in dunkle Zeiten zurückfallen.
Petra Pinzler, Jochen Bittner, Matthias Krupa, meine Vorgänger als Europakorrespondenten der ZEIT, haben hier hervorragende Arbeit geleistet. Jedem ist es gelungen, eine ganz eigene Handschrift in die Brüsseler Berichterstattungen der ZEIT zu bringen. Sie haben Erhellendes, Bewegendes und manchmal auch Zorniges geschrieben – höchst professionell und eigenwillig waren meine Vorgänger immer. Darin möchte ich ihnen nachfolgen.
Damit das gelingt, werde ich nicht nur in Brüssel sein, sondern auf Reisen durch Europa gehen – wann und wo immer es geht. Und deshalb trägt dieses Blog nun einen neuen Namen: Unterwegs in Europa.