Virginia Raggi ist seit 100 Tagen Bürgermeisterin von Rom. Die bis zur Wahl völlig unbekannte Kandidatin der Movimento-5-Stelle, hatte erstaunliche 67 Prozent der Stimmen erhalten.
Die Römer wählten sie, weil sie genug hatten von traditionellen Parteien. Sie wollten etwas Neues versuchen. Raggi muss seither eine Stadt regieren, die in Italien den Ruf hat, schwierig bis unregierbar zu sein.
Virginia Raggi ist es in diesen 100 Tage aber noch nicht gelungen, eine Regierungsmannschaft zusammenzustellen. Es gab eine ganze Reihe von Rücktritten, unter anderem wegen Korruptionsermittlungen. Bis heute sind Schlüsselstellen in der Stadtregierung unbesetzt. Gelingt es Raggi in den nächsten 90 Tagen nicht, diese Stellen zu besetzen, könnte Rom unter Zwangsverwaltung gestellt werden.
Derweil geht der Alltag der Stadt weiter, und der sieht nach einer selektiven Lektüre der Lokalnachrichten folgendermaßen aus.
In der Via Farnesina ist ein mehrstöckiges Wohnhaus teilweise zusammengebrochen. Die Ursachen sind noch unbekannt. Die Vermutungen reichen von einer Bewegung der Erdplatten bis zur Unterspülung der Straße durch Abwässer. Genaueres kann bisher keiner sagen. Viele Anwohner der via Farnesina haben Angst, in ihre Wohnungen zurückzugehen. Ihr Vertrauen in die Behörden ist, gelinde gesagt, gering. Zu Tode gekommen ist bei dem Zusammenbruch des Hauses niemand, was an ein Wunder grenzt.
An einer Haltestelle der Tramlinie 19 ist ein Scherenstromabnehmer der Tramlinie abgebrochen und auf die Straße gefallen. Obwohl es mitten am Tag passierte, kam auch hier niemand zu Schaden. Die Stadt Rom hat insgesamt 164 Tramwagen. Davon sind aber grade mal 65 einsatzbereit.
In der Via Lombardo gibt es eine illegale Mülldeponie, die von den dort ansässigen Romafamilien „verwaltet“ wird. Anwohner berichten, dass jeder seinen Müll hier abladen kann, sofern er den Roma eine Gebühr bezahlt. Ladenbesitzer, Unternehmen und Private gleichermaßen sind Kunden der Deponie. Die Roma verbrennen den Müll. Schwarzer, beißender Rauch legt sich über die dicht besiedelte Gegend. Ein bestialischer Gestank breitet sich aus. Anzeigen gegen die illegale Deponie gab es in der Vergangenheit viele, doch hat das nichts an der Lage geändert.
Auf dem Großen Markt Anagnina haben die Marktleute gestreikt. Sie haben ihre Marktstände nicht aufgebaut. Sie wollten damit gegen die Tatsache protestieren, dass der Müll nicht weggeräumt wird und sie selbst und ihre Kunden sich zwischen Müllhaufen bewegen müssen.
Der Müll ist vom Markt Anagina nach dem Streik weggeräumt worden, allerdings nicht von der römischen Stadtverwaltung, sondern von der Organisation Pics, die sich dem Zivilschutz verschrieben hat. Für Pics arbeiten viele Flüchtlinge. Es waren schließlich Männer aus Ghana, die den Marktplatz von Anagnina säuberten.
Der römische Verwaltungsbezirk Municipio X hat knapp 200.000 Einwohner. Am kommenden Sonntag sollte hier der traditionelle Marathonlauf stattfinden. Die Bezirksverwaltung hat den Lauf aber in letztem Augenblick verboten. Es gebe zu viele Schlaglöcher in den Straßen. Es bestehe für die Läufer ein zu hohes Risiko, sich zu verletzen. Das könne man nicht zulassen.
Natürlich gibt es auch bessere und vielleicht sogar gute Nachrichten aus Rom, aber die waren nicht Gegenstand dieses Beitrages.