In Brüssel läuft eine Geberkonferenz für Afghanistan, es ist die elfte Afghanistan-Konferenz, seit der Westen 2001 intervenierte. Rund 57 Milliarden Euro Hilfen sind seitdem in das Land geflossen. Nach der Konferenz, die an diesem Mittwoch zu Ende geht, werden sehr wahrscheinlich weitere 3 bis 4 Milliarden Euro hinzukommen, die bis 2020 jährlich gezahlt werden. Die Ausgaben für den Militäreinsatz des Westens in Afghanistan betragen ein Vielfaches dieser Summe.
Das viele Geld soll dazu dienen, Afghanistan zu stabilisieren und zu befrieden – das ist Minimalziel. Die Nachrichten aus dem Land sind allerdings schlecht. Die Taliban sind nach übereinstimmenden Berichten so stark wie seit 2001 nicht. Kurz vor der Brüsseler Konferenz sind sie auf Kundus vorgerückt. In dieser Stadt im Norden Afghanistans hat die Bundeswehr zehn Jahre lang eine große Basis unterhalten, noch heute sind dort deutsche Soldaten als Berater für die afghanische Armee tätig.
Kundus steht nicht vor dem Fall, der Angriff der Taliban vor der Konferenz in Brüssel ist ein propagandistischer Erfolg – mehr aber auch nicht. Trotz ihrer Stärke sind die Taliban bisher nicht in der Lage, größere Städte zu erobern. Umgekehrt schaffen es die Regierungstruppen und ihre westlichen Verbündeten nicht, die Taliban entscheidend zu schlagen, auch politisch konnten sie bisher nicht eingebunden werden. Es gibt also eine Pattsituation, die für den Westen mit hohen Kosten verbunden ist.
Ist es das überhaupt wert?
Angesichts der Milliarden, die nach dem Brüsseler Treffen weiter fließen werden, stellen sich sicher viele die Frage: Sollte man den Geldhahn nicht zudrehen und Schluss machen mit diesen Konferenzen, die immer neue Ziele formulieren, die ohnehin nicht erreicht werden? Kurzum: Afghanistan? Ist es das alles überhaupt wert?
So verständlich die Frage ist, so sehr führt sie in die Irre. Denn sie suggeriert, dass der Westen – sprich Europa – Afghanistan irgendwie loswerden könnte. Das aber ist eine Illusion. Die Hunderttausende Afghanen, die nach Europa kommen, sind der Beweis dafür. Afghanistan wird vom Horizont Europas nicht mehr verschwinden.
Das ist die eine Tatsache. Die andere ist, dass nach 15 Jahren Einsatz der Westen seinem Ziel nun einmal nicht wirklich nähergekommen ist. Was also bleibt zu tun? Aus Fehlern lernen, das wäre das erste – geradezu banale – Gebot. Da der Westen in den vergangenen 15 Jahren viele Fehler gemacht hat, kann er auch viel lernen.
Die Männer mit den Kalaschnikows
Eine Lektion: Entscheidend ist nicht die Summe des Geldes, sondern in wessen Hände es gerät. Allzu oft hat man in der Vergangenheit die falschen Leute unterstützt: „die Männer mit den Kalaschnikows“, wie sie die Afghanen manchmal nennen. Milliarden versickerten in den Taschen der Kriegsherren. Und während in Afghanistan in den vergangenen Jahren mehr und mehr Geld floss, rutschte das Land auf dem Korruptionsindex von Transparency International stetig nach unten. Der Konnex ist eindeutig.
Weniger Geld, aber in die Hände der richtigen Leute. Daran sollten sich jetzt die Geber orientieren. Diese richtigen Leute gibt es, denn es ist ja nicht so, als wären alle Afghanen korrupt. Im Gegenteil: Es gibt zahllose Afghanen, die lieber ihr Land aufbauen als auszuwandern. Sie müssten viel mehr Mittel bekommen, und das heißt nicht nur Geld, sondern auch sichtbare politische Unterstützung. Die Geber können und sollen für das, was sie geben, Forderungen stellen – die Rücknahme von Migranten gehört dazu.
Es gibt in Afghanistan keine Lösungen für das Ganze, es gibt nur Situationen, mit denen man besser oder schlechter leben kann. In diesem Land geht es nicht um Sieg oder Niederlage, es geht für den Westen darum mitzuhelfen, die bestehende Pattsituation möglichst zugunsten der Regierung zu verändern. Afghanistan steht weder vor dem Untergang, noch steht es vor der Rettung. Es ist irgendwo im schmerzvollen Dazwischen und da wird es lange bleiben. Wenn man diesen Befund in die Sprache der Geopolitik fassen möchte, heißt das: Es geht um Containment, um Eindämmung.