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Die Angstmache lieber Geert Wilders überlassen

 

Was ist ein guter Niederländer? Jemand, der die Rechte von Schwulen respektiert, Frauen in kurzen Röcken nicht nachpfeift, die Meinungsfreiheit hochhält, keinen Müll auf der Straße rumliegen lässt, nicht auf den Bürgersteig spuckt, auch Frauen die Hand schüttelt und rechtschaffene niederländische Bürger nicht als Rassisten beschimpft.

Das ist in etwa die Definition, die der niederländische Premier Mark Rutte vor wenigen Tagen verwendet hat. Der Premier hat in mehreren Tageszeitungen eine ganzseitige Anzeige schalten lassen. Titel: An alle Niederländer. Der Kernsatz: „Wer unsere Normen nicht respektiert, der sollte das Land verlassen!“ Gleichzeitig gab Rutte ein Interview, in dem er seine Botschaft bekräftigte.

Rutte will damit offensichtlich dem Rechtsaußen Geert Wilders Stimmen abjagen. Am 15. März wählen die Niederländer ein neues Parlament. Wilders liefert sich in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Ruttes liberaler Partei. Nach der Veröffentlichung von Ruttes An alle Niederländer twitterte Wilders umgehend: „Das Original ist immer besser!“ Viele Wähler dürften das auch so sehen.

Ruttes Erklärung ist ein Wahlkampfmanöver, und doch ist es viel mehr als das. Es ist ein Dokument der tiefen Verunsicherung der niederländischen Gesellschaft.

Bis vor rund 15 Jahren schien es, als hätten die Niederlande eine Zauberformel für gesellschaftliche Konflikte gefunden. Man muss nur liberal und permissiv genug sein, dann lösen sich alle gesellschaftlichen Konflikte wie von allein auf. Doch dann starben der Politiker Pim Fortuyn (2002) und der Regisseur Theo van Gogh (2004) durch die Hand von Attentätern. Seitdem haben die Niederländer das Gleichgewicht verloren – und es nicht wiedergefunden.

Globalisierung, Europäisierung, Islamisierung, viele Menschen in den Niederlanden fühlen sich dem allen hilflos ausgesetzt. Es ist Zeit, sagt Rutte, „unsere Werte aktiv“ zu verteidigen. Das ist recht und billig. Aber gegen wen genau müssen die Niederländer ihre Werte verteidigen? Und wie soll das geschehen?

Man wünschte sich mehr Konkretion. Sonst verstärkt Rutte nur das diffuse Gefühl der Angst noch weiter. Das Geschäft versteht Wilders besser.